
Massereiche Nachbarschaft
Was würde Albert Einstein wohl zu dieser Weltraumentdeckung sagen? Er stellte die Theorie dazu auf, glaubte zu Lebzeiten jedoch selbst nicht ganz daran: die Existenz Schwarzer Löcher.
Es sollte noch ein paar Jahrzehnte dauern, aber in den 70er-Jahren gelang mit Cygnus X-1 in unserer Milchstraße der erste echte Nachweis eines Schwarzen Lochs. Viele „Black Holes“ wurden seitdem dokumentiert. Ein ganz besonderes jedoch haben Forscherinnen und Forscher vom Observatoire de Paris im Frühjahr 2024 entdeckt: das massereichste stellare Schwarze Loch, das bisher in der Milchstraße gefunden wurde. Die Sensation: „Gaia Black Hole 3 (BH3)“ ist nur knapp 2000 Lichtjahre von unserer Erde entfernt. Die Neuentdeckung in unserer Nachbarschaft rüttelte damit die Astrophysik auf.
Schwarze Löcher: Sternengräber oder Weltraumstaubsauger?
Schwarze Löcher entstehen zum Beispiel, wenn massereiche Sterne das Ende ihres Lebenszyklus erreichen. Einfach gesagt gleichen sich in ihrer stabilen Lebensphase im Stern die Fliehkraft (aus der ‚Brennenergie‘) und die Gravitation (hervorgerufen durch die Masse) aus. Mit zunehmendem Alter eines Sterns aber nimmt die ‚Brennenergie‘ immer mehr ab und reicht endlich nicht mehr aus, um die Gravitation auszugleichen. Diese ist irgendwann stärker als die Fliehkraft und lässt den Stern in sich zusammenfallen. Durch die große Masse reicht diese Gravitationskraft aus, um den Stern bei der Implosion praktisch auf einen Punkt zu konzentrieren.
Die entstehenden Schwarzen Löcher machen ihrem Namen alle Ehre; Es handelt sich um extrem massereiche Objekte im Weltraum, die alles verschlingen, was ihnen zu nahe kommt – sogar Licht. Passieren Planeten, Sterne oder Lichtstrahlen ihren sogenannten Ereignishorizont, verschwinden diese für immer im massereichsten Punkt des Schwarzen Lochs: der Singularität.
Die Forschung teilt die dunklen, anziehenden Weltraumobjekte anhand ihrer Massedimension in unterschiedliche Kategorien ein: unter anderem in stellare Schwarze Löcher (mit ungefähr 10 Sonnenmassen), mittelschwere Schwarze Löcher (um die 1000 Sonnenmassen) und supermassereiche Schwarze Löcher (ca. 10 000 000 000 Sonnenmassen, also 10 Milliarden). Ein Vergleich:
Gaia BH3 ist ein stellares Schwarzes Loch mit 33 Sonnenmassen. Das größte bisher entdeckte Schwarze Loch in unserer Milchstraße ist das supermassereiche Schwarze Loch Sagittarius A* mit etwa 4 Millionen Sonnenmassen. Sagittarius A* ist damit um einiges größer als Gaia BH3, mit knapp 27 000 Lichtjahren aber glücklicherweise viel weiter von der Erde entfernt.
Die Entdeckung von Gaia BH3 – ein vorhersehbarer Zufall
Da Schwarze Löcher von sich aus kein Licht ausstrahlen, sind sie schwer zu entdecken. Was sie verrät, sind unter anderem Gravitationseffekte, die sie in ihrer Umgebung hervorrufen.
Ein Forschungsteam um Pasquale Panuzzo und Elisabetta Caffau spürte Gaia BH3 mithilfe des Weltraumteleskops Gaia von der Europäischen Weltraumagentur ESA auf. Mit Hilfe dieses Teleskops beobachteten sie schon seit einigen Jahren einen alten Riesenstern im Sternbild Adler. Dieser Stern wies über einen längeren Zeitraum Schwankungen in seiner Kreisbahn auf – er schlug sozusagen Haken. Dies galt als Indiz dafür, dass er von einem nicht sichtbaren und äußerst massereichen Objekt umkreist wird.
Detaillierte Analysen und Berechnungen bestätigten die Annahme: Der Stern umkreist tatsächlich ein ruhendes Schwarzes Loch, dessen Masse etwa 33-mal so groß ist wie die der Sonne.
Von der Theorie zum Beweis: Schwarze Löcher als Extrembeispiel für Raumzeitkrümmung
Seit der Zeit Albert Einsteins trugen viele bedeutende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zum aktuellen Forschungsstand über Schwarze Löcher bei. Alles fußt aber auf seiner genialen Idee: Ohne Einsteins Relativitätstheorie und seine bahnbrechenden Ideen zur Natur der Gravitation wäre moderne Astrophysik nicht denk- und erklärbar.
Während Isaac Newton Gravitation noch als eine unsichtbare Kraft zwischen Massen beschrieb, stellte Einstein die Theorie auf, dass sie eine Krümmung der Raumzeit darstellt. In zwingender Ableitung hiervon erweiterte er den bis dato dreidimensionalen Raum um den Faktor Zeit.
Mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie sagte er etwas voraus, das er selbst zu Lebzeiten nie beweisen konnte: Es muss im Weltraum Objekte geben, die aufgrund ihrer hohen Masse die Raumzeit so stark krümmen, dass ab einer bestimmten Grenze nichts – nicht einmal Licht – ihrer Gravitation entkommen kann. Schwarze Löcher sind genau diese Objekte.
Gaia BH3-Fund: Wir wissen, dass wir noch nicht alles wissen
Die Entdeckung von Gaia BH3 sorgte in Wissenschaftskreisen nachhaltig für Aufsehen. Denn bisher wurden stellare Schwarze Löcher dieser Größe nur in weit entfernten Galaxien nachgewiesen.
Der Fund stellte gängige Theorien zur Sternentwicklung infrage. Was nach Rückschritt klingt, ist in der Astrophysik jedoch ein großer Schritt nach vorne: Jedes entdeckte Schwarze Loch, vor allem ein so bedeutendes, hilft dabei, das Universum und seinen Ursprung noch besser zu verstehen.
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Quellen:
https://www.ardalpha.de/wissen/weltall/astronomie/schwarzes-loch-weltall-102.html
https://www.mpg.de/schwarze-loecher
https://www.deutschlandfunk.de/einstein-auf-dem-pruefstand-11-die-existenz-von-schwarzen-100.html
https://www.aip.de/de/news/gaia-bh3/
https://www.swr.de/wissen/massereiches-schwarzes-loch-in-der-milchstrasse-entdeckt-100.html
https://www.astronomische-gesellschaft.de/de/Nachrichten/schwarzes-loch-milchstrasse