Plastik aus der Rübe
10. Oktober 2022
Vor 160 Jahren veröffentlicht ein leidenschaftlich und akribisch arbeitender Naturforscher eines der bedeutendsten Werke der Menschheitsgeschichte: „Die Entstehung der Arten“. Die Erkenntnisse Darwins revolutionieren die bis dahin gültige Weltanschauung und prägen nachhaltig die Entwicklung der modernen Biologie. Alles beginnt mit einer Weltumseglung auf der HMS Beagle …
Charles Robert Darwin wird am 12. Februar 1809 in Großbritannien geboren. Als junger Mann studiert er Medizin und Theologie, jedoch ohne großes Interesse. Schon in dieser Zeit widmet er sich bevorzugt seinem Hobby, den Tieren und Pflanzen. Diese Leidenschaft wird von seinem Mentor Steven Henslow, einem Theologen und Botaniker, unterstützt. Wie das Schicksal es will, schlägt Henslow seinen Schützling im Jahre 1831 für Forschungsarbeiten auf der HMS Beagle vor, einem britischen Vermessungsschiff. Als naturwissenschaftlicher Begleiter soll der damals 22-jährige Charles die „Schöpfungen Gottes in all seiner Schönheit und Vielfalt“ in Übersee dokumentieren.
Am 27. Dezember 1831 tritt der junge Darwin die Reise mit der dreißig Meter langen HMS Beagle an und wird umgehend mit der ersten Herausforderung konfrontiert: der Seekrankheit. Am 16. Januar 1832 wird er endlich von seinen Strapazen erlöst und geht auf der kapverdischen Insel Santiago das erste Mal an Land. Charles stürzt sich sofort in die Arbeit und widmet sich mit großem Eifer seinen Sammlungen.
Am 28. Februar 1832 erreicht die Beagle die brasilianische Küste. Die umwerfende biologische Vielfalt des Tropenwaldes zieht Charles sofort in ihren Bann. Er sammelt, notiert, skizziert und schickt erste Proben zurück nach England. Während er Tiere beobachtet, wird Darwin jedoch auch mit dem täglichen Kampf ums Überleben konfrontiert. Er stellt erstaunt fest, dass nicht immer der Stärkste einen Vorteil hat, sondern der am besten Angepasste.
Die nächste Station heißt Argentinien. Dort macht Darwin seine nächste Schlüsselentdeckung: er findet das versteinerte Skelett eines offensichtlich lange ausgestorbenen Tieres. Als er seinen Fund mit Skeletten lebender Tierarten vergleicht, ist er verblüfft. Haben sich die Tiere im Laufe der Erdgeschichte verändert? Passen sich diese an ihren Lebensraum an und die, denen es nicht gelingt, sterben aus? Erste Zweifel an der biblischen Schöpfungsgeschichte schleichen sich ein.
Nicht nur das Weltbild Charles Darwins gerät langsam ins Wanken. Rund um Kap Horn wird die Beagle von schweren Stürmen erschüttert. Nach einer kurzen Verschnaufpause in Feuerland beginnen schließlich die Vermessungsarbeiten an der chilenischen Küste. Darwin nutzt diese Zeit für ausgedehnte Landgänge. In den Anden macht er seine nächste folgenschwere Entdeckung. In großer Höhe, weit über dem Meeresspiegel, findet er versteinerte Muscheln. Wie kommen diese in die Berge? Nach der damaligen Weltanschauung musste die Erde gerade einmal 6000 Jahre alt sein. Seine Funde sprechen jedoch eine andere Sprache!
Im Juli des Jahres 1835 macht sich die HMS Beagle schließlich auf den Weg in Richtung Galapagos-Archipel. Als Charles am 18. September an Land geht, ist er sofort fasziniert von den vielen neuartigen Tier- und Pflanzenarten. Auf diesen geografisch isolierten Inseln scheint sich das Leben völlig anders entwickelt zu haben, als auf dem Festland.
Verblüfft stellt er fest, dass außerdem jede der kleinen Inseln ihre eigenen Vogelarten mit unterschiedlicher Schnabelform und dementsprechend anderen Fressgewohnheiten beherbergt. Diese werden später als „Galapagos-Finken“ in die Geschichte eingehen. Davon ahnt Darwin allerdings noch nichts.
Am 12. Oktober 1836 läuft die Beagle nach Besuchen in Australien und Südafrika sowie einem weiteren Abstecher zur südamerikanischen Küste wieder in ihren Heimathafen ein. Nach über fünf Jahren geht die Reise Charles Darwins zu Ende.
Im Gepäck hat er unzählige Notizen, in Spiritus eingelegte Tierarten, Knochen, Felle und Pflanzen. 1837 formuliert Darwin erstmals den Gedanken vom „Stammbaum des Lebens“. Den letzten Denkanstoß dazu liefert ihm der britische Ornithologe John Gould. Dieser hatte erkannt, dass es sich bei Darwins Galapagos-Finken trotz der anatomischen Unterschiede um Arten der gleichen Gattung handelt.
Im Laufe der nächsten Jahre skizziert Darwin seine revolutionären Thesen: Individuen einer Art kämpfen täglich ums Überleben. Eine natürliche Auslese führt zur Vermehrung von Populationen, die besser an ihre Umwelt angepasst sind. Unterlegene Artgenossen sterben aus.
Da er die biblische Schöpfungsgeschichte jedoch nicht öffentlich infrage stellen möchte, behält Darwin seine Erkenntnisse zunächst für sich. 1859 wagt er schließlich das Undenkbare. Er veröffentlicht „Die Entstehung der Arten“. Sein Meisterwerk wird ein großer Erfolg und die wissenschaftliche Welt steht Kopf! Die Hypothese, dass sich die Welt nicht in sechs Tagen, sondern in Millionen von Jahren entwickelt hat, führt jedoch zu heftiger Kritik von Seiten der Kirche. Als Darwin schließlich die Abstammung des Menschen vom Affen formuliert, kommt es zum Eklat. Trotzdem ist der Fall des Kreationismus nicht mehr aufzuhalten. Frei nach Darwins Zitat: “Alles, was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand.”
Im 20. Jahrhundert wird Darwins Evolutionstheorie, dank der herausragenden Erkenntnisse von Gregor Mendel, James Watson und Francis Crick, schließlich auch auf molekularer Ebene belegt.
Die einzigartigen Beobachtungen Darwins während seiner Reise auf der HMS Beagle werden auch heute noch als die Geburtsstunde der modernen Naturwissenschaften angesehen. Der Evolutionsbiologe Theodosius Dobzhansky bringt es 1973 genau auf den Punkt: „Nichts in der Biologie hat einen Sinn, außer im Licht der Evolution“.