Farbe aus Struktur: Wie etwas ohne Pigmente bunt wird
8. August 2023
Wenn Sie durchs Mikroskop schauen, sehen Sie zwar kein Farbspektakel wie in einem HD-Hollywood-Blockbuster, aber dennoch ein so noch nie dagewesenes Farbspektrum: dank der RGB-Nanotechnologie.
Ein Wissenschaftsteam aus Deutschland und Amerika, geleitet von Ralf Jungmann und Peng Yin, hat eine Methode entwickelt, mit der sich bis zu 124 verschiedene Farben auf molekularer Ebene erzeugen und sichtbar machen lassen.
Während viele Bildschirme das Prinzip der additiven Farbmischung (RGB – Rot, Grün, Blau) nutzen, um visuelle Inhalte für das menschliche Auge darzustellen, überträgt die RGB-Nanotechnologie dieses Konzept auf die Molekularebene. Dadurch werden komplexe biologische Strukturen sicht- und vor allem unterscheidbar.
RGB-Nanotechnologie: Metafluorophore als Farbpixel
Damit die Methode auf molekularer Ebene funktioniert, werden drei fluoreszierende Farbstoffe in festgelegten Anteilen kombiniert. Es entstehen sogenannte Metafluorophore – winzige Farbeinheiten, die entsprechend ihrer Rot-, Grün- und Blauanteile leuchten. Sie sind vergleichbar mit nanometergroßen Farbpixeln auf einem digitalen Monitor.
DNA-Origami: eine präzise Steckplatte für bunte Farbcodes
Um stabile und distinkte Metafluorophore zu erzeugen, also Farbeinheiten mit eindeutiger und sich nicht ändernder Farbigkeit, nutzen die Forschenden DNA-Origami – eine Technik, bei der sich ein langer DNA-Strang mithilfe kurzer Heftstränge selbst zu einer stabilen, nanometergroßen Struktur faltet.
Diese DNA-Struktur dient als Trägermaterial, als eine Art Steckplatte, auf der die Farbstoffe präzise platziert werden. Für jede gewünschte Farbe wird berechnet, wie viele rote, grüne oder blaue fluoreszierende Moleküle benötigt werden. Durch die additive Farbmischung entstehen so 124 Metafluorophorversionen – und jede davon leuchtet einzigartig in einer genau definierten Farbe.
Mehr zum DNA-Origami erfahren Sie in einem unserer weiteren Blogbeiträge: Mit DNA-Origami Viren in die Falle locken
124 virtuelle Farben – ein Durchbruch in der molekularen Bildgebung
Bisher setzen Forscherinnen und Forscher einige wenige Mikroskopie-Techniken ein, um Moleküle sichtbar zu machen. In jedem Fall müssen die Strukturen und Moleküle, die analysiert werden sollen, vor dem Mikroskopieren mit Farbstoffen markiert werden, wozu man meist die Affinität (‚Bindungsfreudigkeit‘) von ‚angefärbten‘ Molekülen ausnutzt. Selbst in der hochauflösenden Fluoreszenzmikroskopie, für deren Entwicklung 2014 der Chemienobelpreis vergeben wurde, konnten bisher jedoch maximal drei Farben gleichzeitig unterschieden werden.
Die RGB-Nanotechnologie ermöglicht es nun mithilfe spezieller Mikroskope, gleichzeitig bis zu 124 Farben darzustellen. Damit lassen sich erstmals viele Biomoleküle zeitgleich hochaufgelöst analysieren.
Warum ist die Untersuchung von Molekülen so wichtig?
Die Analyse von Molekülen ist essenziell, um den Aufbau von biologischen Strukturen zu verstehen und die Mechanismen, nach denen Moleküle und Zellen miteinander interagieren. Je genauer die molekulare Bildgebung ist, desto präziser sind die Erkenntnisse, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daraus gewinnen können. Nur so können biochemische Prozesse entschlüsselt und in Folge Möglichkeiten gefunden werden, sie zu verändern, beispielsweise zum Verständnis der Grundlage von Krankheiten oder bei der Entwicklung neuer medizinischer Therapien.
Ein Ausblick: Die Forschung arbeitet daran, den aktuellen Stand der RGB-Nanotechnologie noch weiter zu verbessern. Die Farbpalette soll noch breiter und molekulare Zusammenhänge somit noch klarer werden; außerdem soll das Verfahren nicht wie bisher nur auf Zelloberflächen, sondern auch im Zellinneren funktionieren.
Aber bereits jetzt schon stellt die RGB-Nanotechnologie im Kontext der molekularen Bildgebung einen großen Fortschritt dar – und wird zudem sowohl den Forschungsalltag am Mikroskop als auch wissenschaftliche Publikationen erheblich bunter machen.
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Quellen:
https://www.biochem.mpg.de/20170622-woehrstein-jungmann
https://www.analytica-world.com/de/news/163819/unter-dem-mikroskop-wird-es-bunt.html
https://www.swr.de/wissen/1000-antworten/kann-man-molekuele-sehen-100.html
https://www.faszinationchemie.de/artikel/news/wie-kleine-molekuele-verborgene-krankheiten-anzeigen