Chemie ist Geschmackssache: Warum Säuren sauer sind
10. März 2019
Im März 1811 wurde in Göttingen jemand geboren, der die Laborarbeit nachhaltig prägen sollte – nicht nur durch seine praktischen Erfindungen, sondern vor allem durch seine leidenschaftliche Art, Wissenschaft zu betreiben und zu vermitteln. Robert Wilhelm Bunsen, Sohn eines Göttinger Bibliothekars und Sprachprofessors und dessen Ehefrau Auguste, einer Tochter des Syndikus der Stadt Goslar, ließ schon in der Jugend keinen Zweifel an seiner Neugier und Beharrlichkeit und schloss mit 19 Jahren seine Promotion an der Georg-August-Universität Göttingen ab. Im Laufe seines Lebens entwickelte er sich zu einem einflussreichen und anerkannten Chemiker, der sich für seine Forschung einsetzte und auch vor gefährlichen Experimenten nicht zurückschreckte.
Kurios: Bunsen hat seinen Geburtstag wohl verschoben
Das tatsächliche Geburtsdatum von Bunsen ist umstritten. „Der Taufeintrag in Göttingen nennt den 30. März 1811, Bunsen selbst soll nach Angaben seines Biographen später aber den 31. März als Geburtstag gefeiert haben“, fasst ein Kurzbeitrag von Deutschlandfunk.de zusammen. [3]
Gefährliche Hingabe zur Wissenschaft
Bunsens Engagement für die praktische Forschung hinterließ mancherlei Spuren – die folgenreichste wohl 1843 bei seiner Arbeit mit Verbindungen der Substanz Kakodyl, eine „hochgiftige und nach Kot stinkende Flüssigkeit, die sich an der Luft von selbst entzündet“. [4] In einem Experiment explodierte ihm eine Probe Kakodylcyanid buchstäblich vor der Nase. Durch den Unfall erblindete Bunsen auf seinem rechten Auge und erlitt eine schwere Vergiftung. [1] Dies hielt ihn jedoch nicht davon ab, seine Experimente fortzusetzen.
Bei der Analyse von Hochofenabgasen verlor er einmal das Bewusstsein durch giftige Gase und musste von einem Kollegen in Sicherheit gebracht werden. Aber auch dieses Ereignis bewog ihn nicht dazu, seine weitere Forschung aufzugeben.
So ist es wenig verwunderlich, dass er 1846 auch einer Expedition nach Island zusagte, auf der er unter anderem die geologischen Verhältnisse des Vulkans Hekla untersuchen sollte. Dank seiner wachsenden Expertise in der Gasanalyse war er schließlich hervorragend für diese Aufgabe geeignet. Bunsen persönlich sammelte in dem erst drei Monate zuvor eruptierten Vulkankrater hunderte von Proben zur späteren Analyse im Labor. Auch die umlegenden Geysire studierte der waghalsige Forscher und half so dabei, deren Funktionsweise zu erklären. Wiederum entging er in einem Fall nur knapp einer Katastrophe: Kurz nachdem er sich von einem beprobten Geysir entfernt hatte, schoss dort eine 50 Meter hohe Dampfsäule in die Luft. [1]
Der Weg zum Bunsenbrenner
Im Jahr 1851 bot sich Bunsen eine gewaltige Karrierechance: Die Chemieprofessur an der Universität Heidelberg war frei geworden. Zwar sah die Universitätsleitung in Bunsen, trotz seines guten Rufs in der Wissenschaftsgemeinde, nur die zweite Wahl. Doch als der eigentliche Favorit, Justus Liebig, die Berufung ablehnte, hatte Bunsen die besten Verhandlungsoptionen. So holte er nicht nur das zweithöchste Professorengehalt der Universität heraus, sondern auch die Titel eines Hofrats und des Direktors des Chemischen Laboratoriums. Zudem ließ er sich den Neubau eines eigenständigen chemischen Laboratoriums zusichern. Die Universität bewilligte so ein eigenständiges Chemiegebäude im Wert von mehr als 76 000 Gulden und gab zwischen1850 und 1860 ganze 97 % der staatlichen Neubaumittel nur für die Chemie aus. [2]
Im Zuge der Baumaßnahmen wurden die Gebäude mit einer neuen Gasbeleuchtung ausgestattet – für Bunsen die Gelegenheit, über bessere Möglichkeiten der Gasnutzung im Labor nachzudenken. Die bis dahin verfügbaren Gasbrenner produzierten eine rußende, ungleichmäßige Flamme, die für präzise chemische Arbeiten ungeeignet war. Gemeinsam mit dem Universitätstechniker Peter Desaga entwickelte Bunsen eine verbesserte Version des Brenners, indem er die Sauerstoffzufuhr über Luftschlitze regulierte. Er griff dabei u.a. auf Vorarbeiten von Michael Faraday zurück und schuf schließlich ein Design, welches sich in der Laborwelt durchsetzen sollte.
Die klare, entleuchtete Flamme ermöglichte es, die charakteristischen Spektrallinien verschiedener Elemente zu beobachten. Dies führte zur Entdeckung der Elemente Caesium und Rubidium und legte den Grundstein für die moderne Spektroskopie – ein Meilenstein, den Bunsen in seiner Zusammenarbeit mit dem Physiker Gustav Kirchhoff erreichte.
Leidenschaftlicher Lehrer
Nicht nur in seinem eigenen Labor war Bunsen ein Vorreiter. Auch in seiner Lehrtätigkeit an der Universität Heidelberg überzeugte er mit Wissen und brennender Leidenschaft. Seine Vorlesung zu den Grundlagen der allgemeinen Chemie, Stöchiometrie und Elektrochemie wiederholte er 72 Semester lang für bis zu 104 eingetragene Zuhörer. Dabei ging er weit über eine einfache Lektüre hinaus. „Zugleich begleitete er [Bunsen] den Vortrag mit experimentellen Demonstrationen von wunderbarer Vollendung. […] Er versetzte so den Zuhörer derart mitten in die Erforschung des Gegenstandes, als wenn dieser selbst sie ausführte“, beschrieb Wilhelm Wundt, einer von Bunsens Studenten. [2] Der begnadete Dozent war dabei einer Anekdote zufolge auch sehr gnädig mit seinen weniger motivierten Schützlingen. Als ein Student ihn zum Ende des Semesters um eine Anwesenheitsbescheinigung bat, merkte der Professor wohl an, dass er ihn nicht im Vorlesungssaal gesehen hätte. Der Student soll dies damit begründet haben, dass er immer hinter einer Säule saß, worauf Bunsen entgegnet haben soll: „Ah…da sitzen so viele“ – und dennoch das Zeugnis unterschrieb. [1]
Ein Leben für die Wissenschaft
Im Jahr 1888 legte Bunsen seine Lehrtätigkeit an der Uni nieder. In den 36 Jahren seiner Amtszeit hatte er gegen Ende nur noch wenig Geld in die Instandhaltung des einst beispiellosen Chemiebaus investiert, sodass dieser längst sanierungsbedürftig war. Anscheinend spielte eine gewisse Anhänglichkeit Bunsens an seine alten Instrumente eine Rolle. So erinnerte sich der US-Amerikaner Leroy Wiley McCay, ein damaliger Student des Professors, wie ein Assistent ihn auf eine alte Waage aufmerksam gemacht habe: „Sie gehört dem alten Mann“, soll der Assistent zu McCay gesagt haben, „Und ist es nicht ein trauriges Objekt? Sehen Sie den langen Riss in der Glastür. Er könnte die feinste Waage haben, die menschliches Geschick hervorbringen kann, aber er besteht darauf, dass er mit diesem Ding bis auf ein Zwanzigstel Milligramm abwiegen kann, und das genügt.“ [2]
Zwar schien Bunsen bauliche Änderungen in seinen letzten Jahren vermeiden zu wollen, perspektivlos ließ er seinen Lehrstuhl jedoch nicht zurück. Er hatte aus dem jährlichen Laboratoriumsetat knapp 25 000 Mark angespart und seinem Nachfolger Victor Meyer als Grundstock für Renovierungen überlassen. Sein ehemaliges Institut hat Bunsen angeblich nie mehr betreten, die später folgenden Neubauten nie gesehen. [2]
Am 16. August 1899 starb Robert Wilhelm Bunsen im Alter von 88 Jahren in Heidelberg. Sein langjähriger Wegbegleiter und Freund Henry Enfield Roscoe sagte in einem Nachruf „Als Forscher war er großartig. Als Lehrer sogar noch großartiger. Als Mensch und Freund war er der Größte.“ [5]
Verheiratet war Bunsen übrigens nie. Dies habe er damit begründet, dass er zu viel Zeit im Labor verbrachte. Möglicherweise trug aber seine Arbeit mit unangenehm riechenden Substanzen dazu bei, sein Junggesellendasein zu bewahren. So soll Agnes Fischer (die Frau des deutschen Chemikers Emil Fischer) einst gesagt haben: „Zuerst möchte ich Bunsen waschen, und dann würde ich ihn gerne küssen, weil er so ein charmanter Mann ist.“ [1]
Die wichtigsten Leistungen des Robert Bunsen
1. Spektralanalyse (1859/60) [1], [2]:
1859/60 gelang Bunsen gemeinsam mit Gustaf Kirchhoff die wissenschaftliche Begründung der Spektralanalyse. Dies führte zur Entdeckung der Elemente Cäsium (1860) und Rubidium (1861).
Erstmals ließ sich mit spektroskopischen Methoden die chemische Zusammensetzung von Himmelskörpern analysieren.
1834: Entwicklung des Fettfleck-Photometers “grease-spot photometer” zur Messung der Lichtintensität [1, 6]
2. Elektrochemische Arbeiten:
1814: Verbesserung der Grove-Zelle durch Kohlenstoff-Kathoden [1]
1852: Elektrolytische Reindarstellung von Metallen (Strontium, Barium, Aluminium, seltene Erden) [1]
1859: Erste Massenproduktion von reinem Magnesium und Nutzung für die kommerzielle Photographie als Blitzlicht [1]
3. Sicherheit und Grundlagenchemie:
1834: Entdeckung von Eisenhydroxid als Gegengift bei Arsenvergiftung [1]
1835/36: Untersuchung giftiger Cyanid-Verbindungen [1]
1851/52: Grundlagen zur Entwicklung der Jodometrie [2]
4. Instrumentelle Entwicklungen:
1855: Entwicklung des Bunsenbrenners mit Techniker Peter Desaga [1, 2]
1870: Erfindung des Eiskalorimeters [5]
1887: Erfindung des Dampfkalorimeters [7]
Jahr unbekannt: Entwicklung der Wasserstrahlpumpe und Schlauchklemme [2]
5. Photochemische Forschung mit Henry Roscoe (1855 bis 1862):
Systematische Untersuchung lichtinduzierter Kettenreaktionen [1], [2]
Entdeckung der Proportionalität von Reaktionsrate und Lichtintensität [1]
Von Ostwald als „klassisches Vorbild für experimentelle Arbeiten in der physikalischen Chemie“ bezeichnet [2]
Quellen:
[1] https://www.rsc.org/images/Historical%20Profile%20-%20Blazing%20A%20Trail_tcm18-204010.pdf
[2] https://www.gdch.de/fileadmin/downloads/GDCh/historische_staetten/bunsen.pdf
[3] https://www.deutschlandfunk.de/die-wiege-der-astrophysik-robert-bunsen-und-die-chemie-der-100.html
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Kakodyl
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Wilhelm_Bunsen
[6] https://digital.deutsches-museum.de/de/digital-catalogue/collection-object/18143/
[7] https://www.britannica.com/science/Bunsen-burner