Kalendermotiv März 2021
9. März 2021
Ein Herz so weich wie aus Seide – mit Fibroin
Die Zukunft lässt Herzen stärker schlagen.
In Deutschland erleiden jährlich mehr als 300.000 Menschen einen Herzinfarkt. Überlebt man einen solchen Schicksalsschlag, hat das dennoch enorme Auswirkungen auf das weitere Leben der betroffenen Menschen. Denn ein menschliches Herz hat enorme Leistung zu bringen. Tagtäglich über mehrere Jahrzehnte hinweg pumpt es durchgängig Blut durch den Körper und versorgt alle Organe mit dem nötigen Sauerstoff. Bei einem Herzinfarkt sterben wichtige Herzzellen ab. Trotz enormer Fortschritte in der Medizin ist es bislang nicht möglich, diese Herzzellen wiederherzustellen und sie sind unwiederbringlich verloren. Damit einher geht ein dauerhafter Verlust von Pumpleistung des Herzens und somit von Lebensqualität des Menschen. Der Bedarf für innovative Ansätze, um Herzerkrankungen zu behandeln, ist also sehr hoch, da jährlich immer mehr Menschen an Herzinsuffizienzen leiden. Zukünftig muss es also eine Methode geben, künstliches Herzgewebe herzustellen. Und hier kommt in aktuellen Forschungen er ins Spiel: der Seidenspinner. Denn seine Seide bietet sich für die Rekonstruktion einer dreidimensionalen Struktur an und liefert somit eine Faser, die als Gerüst für Herzgewebe eingesetzt werden kann. Besonders an dieser Stelle standen Forschende bislang vor großen Herausforderungen.
Seidenweich – oder eher seiden(protein)rau.
Für die Ansiedlung von Herzmuskelzellen ist eine Gerüstsubstanz notwendig, die eine dreidimensionale Struktur aufweisen muss. In der Vergangenheit wurde bereits mit den verschiedensten Materialien hierfür experimentiert, die sich alle als ungeeignet herausstellten. Sowohl natürliche als auch synthetische Fasern wurden getestet, die auf drei Hauptprobleme stießen: Entweder die Fasern waren zu spröde, sie wurden vom Immunsystem attackiert oder die Herzmuskelzellen siedelten sich nicht auf den Fasern an.
Experimente mit der Seide des Indischen Seidenspinners brachten die Vorteile dieser Faser im Vergleich zu den anderen untersuchten Substanzen hervor. Die Oberfläche der Seide ist der entscheidende Faktor. Denn diese besitzt ein Protein, das der Faser ihre Struktur und mechanische Festigkeit verleiht. Dieses Protein heißt Fibroin. Dank seiner rauen Struktur wird die Anheftung von Herzmuskelzellen erleichtert, das Anwachsen dieser begünstigt und somit die Bedingungen gegeben, damit ein dreidimensionaler Gewebeverband gebildet werden kann. Dieses Gewebe soll dann im Optimalfall als Implantat zerstörtes Gewebe ersetzen.
Mehr ist mehr.
Da das Protein Fibroin bisher sehr begrenzt war und nicht in großen Mengen gewonnen oder hergestellt werden konnte, wurde diese Methode lange nicht als erfolgsversprechend angesehen. Forschenden ist es nun aber gelungen, ein rekombiniertes Seidenprotein der Gartenkreuzspinne mithilfe von E. coli Bakterien in größeren Mengen und in gleichbleibender hoher Qualität herzustellen. Aus dem daraus gewonnenen künstlichen Fibroin wird nun mittels 3D-Druckverfahren ein Gerüst gedruckt, das schließlich als Herzmuskelgewebe fungiert.
Aller Anfang ist schwer.
Im Labor konnten bislang einige bedeutenden Ergebnisse mit diesem Verfahren erzielt werden. Bereits im Jahr 2012 wurde die Kommunikation der anwachsenden Zellen beobachtet. Diese war insofern intakt, dass die Zellen über einen Zeitraum von 20 Tagen synchron schlugen, wie auch bei einem echten Herzmuskel. Weitere Experimente aus dem Jahr 2017 beschäftigten sich mit der Hypertrophie des Herzmuskels, also der Vergrößerung von Herzmuskelzellen. Dies tritt beispielsweise bei Sportlerinnen und Sportlern oder Schwangeren auf. Die hierfür verantwortlichen Faktoren sorgten auch für einen Volumenwachstum bei den Herzmuskelzellen, die im Labor gezüchtet wurden.
Trotz einiger vielversprechender Ergebnisse ist eine klinische Anwendung dieses Verfahrens noch ausgeschlossen. Noch liegt die Schwierigkeit darin, ausreichend menschliche Herzzellen als Ausgangsmaterial zu erhalten. Dennoch birgt die Arbeit der Züchtung von Herzmuskelzellen großes Potenzial für künftige Verfahren zur Produktion von funktionellem Herzgewebe.
Wir von Carl ROTH sehen die Notwendigkeit darin, innovative Verfahren voranzutreiben, um Fortschritt auf den verschiedensten Gebieten zu erzielen. Dank verbesserter Rettungsketten ist die Sterblichkeit nach einem Herzinfarkt in den letzten Jahren um ca. 30 % zurückgegangen. Umso wichtiger also, Methoden zu entwickeln, die die abgestorbenen Herzzellen ersetzen, um die Lebensqualität der Überlebenden nach ihrem Schicksalsschlag wieder zu steigern.
Quellen:
https://www.med.fau.de/2017/08/11/ein-herz-aus-spinnenseide/
https://www.mpg.de/4996572/Herz_aus_Seide
https://dzhk.de/herz-kreislauf-erkrankungen/herz-kreislauf-erkrankungen/herzinfarkt/