Farbe aus Struktur: Wie etwas ohne Pigmente bunt wird


Ob die Wohnzimmertapete, das Kunststoffauto oder der Seidenschal – wenn Farbe im Spiel ist, haben wir es in den meisten Fällen mit Farbmitteln zu tun. Dabei handelt es sich um wasserlösliche (Farbstoffe) oder wasserunlösliche Stoffe (Pigmente), wobei erstere als Lösung, letztere in der Regel in Form von Dispersionen verwendet werden. Bei beiden ist die chemische Struktur entscheidend für die Farbigkeit: Die Substanzen enthalten ein Chromophor, also eine Molekülstruktur, die Wellenlängen aus dem Bereich des sichtbaren Lichtspektrums absorbiert, sodass durch Reflexion der übrigen Wellenlängen eine Farbe entsteht.

Die Oberfläche als Farbkasten

Doch die Natur hat schon lange eine weitere Methode perfektioniert, Farbigkeit dort zu erzeugen, wo eigentlich gar keine Farbe sein dürfte: allein durch die räumliche Anordnung von mikroskopisch kleinen Schuppen, Gittern und anderen Formen, etwa auf den Flügeln mancher Schmetterlingsarten. Sogenannte Strukturfarben beeinflussen das einfallende Licht durch Effekte wie Dünnschicht- bzw. Vielschichtinterferenz, Beugung oder Streuung und erzeugen so einen Farbeindruck [1]. Dünnschichtinterferenz beschreibt etwa das Phänomen, wenn Licht in eine dünne Schicht auf der Oberfläche des Substrates einstrahlt und an beiden Grenzflächen dieser Schicht reflektiert wird. Abhängig von der Schichtdicke kommt es zu Interferenzen zwischen den reflektierten Lichtstrahlen, die aufgrund der Phasenverschiebung bestimmte Wellenlängenanteile verstärken oder abschwächen. Das Ergebnis sind die sogenannten schillernden Strukturfarben, die auch vom Betrachtungswinkel abhängen und zum Beispiel den Regenbogenschimmer in Seifenblasen erzeugen. Lichtbeugung tritt bei optischen Gittern auf und sorgt bei geeigneten Gitterparametern ebenfalls für einen schillernden Farbeffekt. Für nicht-schillernde Strukturfarben zeichnet sich die Lichtstreuung an kleinen Partikeln verantwortlich, die je nach Wellenlänge unterschiedlich stark erfolgt und somit bestimmte Farbanteile aus dem Licht herausfiltert [2].

Der Schmetterling macht es vor

Eine besondere Bedeutung beim Thema Strukturfarben kommt den Schmetterlingen zu. Beispielsweise erzeugt der Blaue Morphofalter die Farbe seiner Flügel nicht durch Pigmente, sondern durch eine mikro- und nanostrukturierte Oberfläche. Forschende der ETH Zürich ließen sich bei der Entwicklung künstlicher Strukturfarben von den leuchtend-blauen Flügeln des afrikanischen Falters Cynandra opis inspirieren. Dessen Flügel sind mit einem zweistöckigen Gitternetz überzogen, wobei der Gitterabstand 0,5 bis 1 Mikrometer beträgt. Die regelmäßige Struktur dieses Gitters war geradezu prädestiniert als Vorlage, um mithilfe eines speziellen 3D-Druckverfahrens reproduziert zu werden. Das Team erzeugte mittels 3D-Drucker ein solches Gittermuster und stellte so Strukturfarben her, die sich durch Variation des Gitterabstandes und Höhe der Gitterstäbe im Größenbereich von 0,25 bis 1,2 Mikrometern zudem modifizieren ließen [3]. Als Proof of Concept hat das Team aus einem transparenten Polymer ein 3,5 mal 5 Millimeter großes Miniatur-Bild gedruckt, das allein durch verschiedene Nanostrukturen nach dem Schmetterlingsvorbild in unterschiedlichen Farbtönen erscheint.

Der Mensch verbessert es

Strukturfarben müssen allerdings nicht aus regelmäßigen topographischen Mustern bestehen. Auch unregelmäßige Nanostrukturen können einen Farbeindruck erzeugen. Um hier die passende Oberfläche zu drucken, hat ein Team am österreichischen Institute for Science and Technology (ISTA) und der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) ein Designtool entwickelt, welches für eine gewünschte Farbe die passende Nanostruktur berechnet, die anschließend mit modernen Verfahren wie „Direct-Laser-Writing“ produziert werden kann [4]. Da es sich hier um zufällig zusammengesetzte Strukturen handelt, ist anhand der vom Computer generierten Vorlage nicht im Vorfeld zu erkennen, welcher Farbeindruck bei dem jeweiligen Muster entstehen wird.

Anwendungsgebiete für Strukturfarben

Praktische Anwendungsmöglichkeiten für Strukturfarben gibt es reichlich. So ließen sich daraus beispielsweise Sicherheitsmerkmale für die Echtheitsprüfung von Geldscheinen drucken [3]. Da die Farbe nicht, wie bei vielen Farbmitteln, durch Sonneneinstrahlung verblasst, bleibt der Farbeindruck auch nach langer Zeit noch unverändert bestehen. Mit schillernden Strukturfarben kann zudem ein richtungsabhängiger Farbwechsel erzeugt werden, sowie Wellenlängen außerhalb des sichtbaren Spektrums, was die Fälschungssicherheit zusätzlich erhöht.
Ein weiteres denkbares Anwendungsgebiet sind Farbfilter für optische Messgeräte, die gewährleisten, dass lediglich bestimmte Spektralbereiche aufgenommen werden. Sogar eine Strukturierung von größeren Oberflächen ist nach Meinung der ETH-Forschenden möglich, indem ein Negativ der Struktur produziert und zur Vervielfältigung genutzt wird. Dies wäre etwa für die Produktion von äußerst dünnen und sogar biegbaren Displays relevant. Schließlich hätten Strukturfarben auch das Potenzial, klassische Pigmente zu ersetzen, wie sie in Wandfarben zum Einsatz kommen: Nicht nur haben sie den Vorteil einer hohen Farbechtheit, sondern sind in den meisten Fällen auch umweltverträglicher [3].
Dank der Strukturaufklärung von Schmetterlingsflügeln und den hochpräzisen Verfahren des 3D-Drucks ist es heute also möglich, ein breites Spektrum an neuen, haltbaren Strukturfarben für diverse Anwendungen zu entwerfen und zu produzieren.

Quellen:

[1] https://www.iap.tuwien.ac.at/~gebeshuber/Diplomarbeit_Micheli_Rieger_2019.pdf
[2] https://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/strukturfarben/11409
[3] https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2022/02/das-schmetterlingsprinzip-genutzt.html
[4] https://www.innovations-report.de/fachgebiete/informationstechnologie/farbeffekte-durch-transparente-nanostrukturen-aus-dem-3d-drucker/

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