In ROTH steckt jede Menge Grün
2. Februar 2023
Ob immer kleiner werdende Herzschrittmacher, in smarte Textilien integrierte miniaturisierte Sensoren für Parameter wie pH oder Temperatur, Lab-on-a-Chip-Systeme als Glukose-Einmalsensoren oder chemische Bioreaktoren im Checkkartenformat – Miniaturisierung ist Trumpf. Auch in der Chemie-, Labor- und Medizintechnik. Drei Begriffe, die dabei recht uneinheitlich, mitunter sogar synonym gebraucht werden, sind Mikrosystemtechnik, Mikrofluidik und Mikroreaktoren. Doch wie sind diese Technologien eigentlich genau definiert und welche entscheidenden Vorteile bietet so viel Technik auf kleinsten Raum, insbesondere für die Forschung in Chemie oder Biotechnologie?
Alles Mikro – oder was?
Der Oberbegriff Mikrosystemtechnik fasst alle Arten von miniaturisierten technischen Einheiten zusammen, bei denen Mikrobauteile, optisch oder mechanisch, auf kleinstem Raum zu einem funktionierenden System verbunden werden. Mikrochips in Computern und Handys sind ein Beispiel dafür, aber auch der miniaturisierte Herzschrittmacher.
Die Mikroreaktionstechnik befasst sich mit der Miniaturisierung chemischer oder biotechnologischer Reaktionen in so genannten Mikroreaktoren. Solche „Chemieanlagen im Miniaturformat“ nutzen Kenntnisse aus der Mikrosystemtechnik und der Mikrofluidik, um die Reaktionen auf kleine oder sogar kleinstmögliche Maßstäbe herunter zu skalieren. Das birgt enormes Potenzial nicht zuletzt für die Forschung und Entwicklung.
Mikroreaktoren sind einige Zentimeter oder sogar nur wenige Hundert Mikrometer klein. Dank unterschiedlicher Produktionsverfahren lassen sie sich – beispielsweise per 3D-Druck – auf der Basis von Glas, Polymer, Silizium, Metall oder Keramik herstellen. Ihr Funktionsprinzip basiert auf mikrofluidischen Kanälen, welche Lösungsmittel, Reagenzien, Produkte und Abfallstoffe transportieren.
Der Begriff Mikrofluidik wird nicht immer eindeutig verwendet. In der Wissenschaft beschreibt er die Lehre der präzisen Steuerung von und der Einwirkung auf Flüssigkeiten (oder Gase) in Kleinstkanälen und -netzwerken mit einem Durchmesser von unter 100 µm. Ingenieure hingegen verwenden den Begriff beschreibend für die Herstellung von Teilen (oft „Chip“, „Mikrochip“ oder „Lab-on-a-chip“ genannt), die die Flüssigkeitsbewegung durch Kanäle mit einem Durchmesser zwischen 100 µm und 1 µm leiten.
Vereinfacht gesagt ist die Mikrofluidik die Arbeit mit winzigen Flüssigkeitsmengen bei einer Fließbreite im zweistelligen Mikrometerbereich. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von ungefähr 100 µm.
Vielfältige Vorteile bei der Arbeit in Mikroreaktoren
Und was sind nun die Vorteile dieser extremen Miniaturisierung? In Mikroreaktoren lassen sich chemische oder biotechnologische Synthesen in sehr kleinem Maßstab und bei entsprechend niedrigem Reagenzienverbrauch und geringer Abfallmenge durchführen. Das ist vergleichsweise kostengünstig und nachhaltig. Das hohe Oberfläche-zu-Volumen-Verhältnis in den Mikrokanälen bedingt, dass sich beispielsweise die Temperatur im Reaktor durch Heiz- bzw. Kühlelemente sehr gut kontrollieren lässt, wodurch die Ausbeute erhöht und Nebenreaktionen vermieden werden können. Auch bei Reaktionen, die durch Licht katalysiert werden, ist das hohe Oberfläche-zu-Volumen-Verhältnis ein Vorteil, da eine gleichmäßige Bestrahlung des Reaktionsmediums erzielt wird. Ebenso lassen sich stark exotherme Reaktionen oder die Arbeit mit hohen Drücken aufgrund des günstigen Oberfläche-zu-Volumen-Verhältnisses in Mikroreaktoren leichter realisieren. Dies eröffnet ganz neue Möglichkeiten für die Optimierung chemischer Synthesen. Die Geschwindigkeit der Vermischung von unterschiedlichen Flüssigkeiten lässt sich in Mikroreaktoren leichter regulieren oder sie können in winzige Tröpfchen aufgeteilt werden, wodurch sich Experimente flexibler gestalten und steuern lassen.
Mikroreaktoren sind zudem überwiegend als Durchflussreaktoren ausgelegt. Das ermöglicht einen kontinuierlichen Produktfluss von gleichbleibender Produktqualität und spart gegenüber klassischen Batch-Verfahren zudem Arbeitsschritte, da kein Reaktor befüllt, entleert, gereinigt und erneut befüllt werden muss.
Zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten
Die Anwendungsmöglichkeiten, die Mikroreaktoren der Bio-, Pharma- oder Chemietechnik eröffnen, sind zahlreich. Von der Grundlagenforschung zur Entwicklung neuer Synthesen über die Prozessoptimierung für schnellere, präzisere und nachhaltigere Methoden, bis hin zur Diagnostik von Krankheiten, deren Erforschung und die Entwicklung neuer Therapieansätze. Im letzteren Fall können sie beispielsweise helfen, Tierversuche zu vermeiden. Mit mikrofluidischen Lab-on-a-Chip-Systemen lassen sich Viren wie SarsCoV-2 und andere Krankheitserreger, DNA im Rahmen von Gentests oder aber giftige Chemikalien nachweisen. Neueste Entwicklungen gehen dahin, in die gängigen Lab-on-a-chip-Systeme zusätzliche Prozessoren zu integrieren, die in der Lage sind, die Fluidkontrolle und -analyse vollständig autonom durchzuführen. Damit ließen sich zum Beispiel verschiedenste Ablaufprotokolle klinischer Analysen vorprogrammieren, was einerseits den Durchsatz wesentlich erhöhen, andererseits die Durchführung sehr komplexer Protokolle erst ermöglichen könnte und diese schneller, präziser und damit aussagekräftiger machen würde.
Dies sind nur einige Beispiele von unendlich vielen, die das breite Anwendungspotenzial der Mikroreaktionstechnik verdeutlichen. Der Kreativität von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bietet die Miniaturisierung eine schier grenzenlose Entfaltungsmöglichkeit, weshalb in Zukunft auf diesem Forschungsfeld viele spannende Entwicklungen zu erwarten sind, deren Möglichkeiten wir zurzeit kaum erahnen können.
Quellen:
https://www.laborpraxis.vogel.de/synthesen-in-mikroreaktoren-eine-sache-des-massstabs-a-1095895/
https://www.chemanager-online.com/produkte/mikroreaktor-nach-mass-fuer-die-chemische-synthese
https://www.rct-online.de/magazin/mikrofluidik-und-mikroreaktoren/
https://formlabs.com/de/blog/mikrofluidik-millifluidik-chiplabor-fertigung/