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17. Juli 2023
Die Chemieindustrie versorgt nahezu alle Zweige der Wirtschaft mit unverzichtbaren Vorprodukten für deren Wertschöpfung. Sie liefert Grund-, Hilfs- und Betriebsstoffe gleichermaßen für die Herstellung von Nahrungsmitteln und Maschinen wie Halbleitern. Das macht den Industriezweig zu einem wichtigen Ansatzpunkt für die Etablierung schonenderer Wirtschaftsweisen. Die nachhaltige Chemie will die Risiken aus dem Chemikalieneinsatz für Umwelt, Tier und Mensch minimieren. Dabei streben Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft das Gleichgewicht der 3 Säulen der Nachhaltigkeit an: Umweltbezogene Faktoren, Wirtschaftlichkeit und soziale Aspekte sollen sich die Waage halten.
Die chemische Industrie ist stark diversifiziert. Dennoch herrschte lange Zeit in vielen Sparten vor allem ein Paradigma: die Steigerung der Raum-Zeit-Ausbeute. In der Prozessindustrie bedeutet das die optimale Ausnutzung der bestehenden Produktionskapazitäten. Wissenschaftler und Chemieingenieure versuchten durch die zielgerichtete Wahl der Prozessparameter die Produktivität stetig zu steigern. Dazu arbeiteten sie mit immer höherem Druck, Temperaturen sowie aggressiveren und höher konzentrierten Chemikalien. Entsprechend hoch waren die Risiken der Chemie für Mensch und Umwelt.
Heute gerät dieser Ansatz angesichts der globalen Problematik endlicher Ressourcen an seine Grenzen. Nachhaltig leben bedeutet, den Ressourceneinsatz so zu gestalten, dass die natürliche Regenerationsfähigkeit der Ökosysteme aufrechterhalten bleibt. Oftmals basieren etablierte Verfahren auf fossilen Rohstoffen, deren Verfügbarkeit und Kosten immer unsicherer werden. Energieaufwendige Prozesse werden teurer, da Nutzer zunehmend an den negativen Umweltauswirkungen der Energieerzeugung beteiligt werden. Das gilt auch für die Verwendung von Reagenzien und Lösungsmitteln: Die Chemieindustrie ist gefordert, ungefährliche Stoffe einzusetzen, Abfälle soweit möglich zu reduzieren und effiziente Technologien für das Recycling unvermeidbarer Reststoffe anzuwenden.
Gemäß den 3 Säulen der Nachhaltigkeit treten umweltbezogene und gesellschaftliche Folgen der Produktion als gleichberechtigte Kriterien neben die reine Wirtschaftlichkeit. Die Nachhaltigkeit wird zum Wettbewerbsfaktor, denn Unternehmen, die ihre Prozesse entsprechend umgestalten, werden in Zukunft Kostenvorteile realisieren können. Wie das gelingen kann, formulierten die Wissenschaftler Anastas und Warner 1998 in ihren 12 Prinzipien für eine Grüne Chemie.
Diese 12 Prinzipien für die nachhaltige Chemie hat die Europäische Union in Form einer Richtlinie in ihre Gesetzgebung übernommen. Die Kernaspekte der Grünen Chemie bestehen in der Nutzung ungefährlicher Stoffe, die Risiken für Mensch und Umwelt minimieren. Sie stammen im besten Fall aus erneuerbaren Quellen und lassen sich unter möglichst geringen Emissionen verarbeiten. Die Betrachtung der Auswirkungen wird außerdem auf den gesamten Lebensweg ausgedehnt: Auch die spätere Weiterverarbeitung und Entsorgung der Chemie soll geringstmögliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben. Dabei gilt es, sämtliche Risiken im Zusammenhang mit dem Chemikalieneinsatz im Vorfeld zu bewerten und aktiv zu minimieren. Das passiert zum Beispiel, wenn die Vermischung von Lösungsmitteln oder Reagenzien im Prozess vermieden wird: Nach ihrer Aufbereitung können sie dem Stoffkreislauf erneut zugeführt werden.
Einen intelligenten Ansatz der nachhaltigen Chemie stellt die Weiße Biotechnologie dar: Hier katalysieren nützliche Mikroorganismen den Umbau eines Ausgangsstoffes zum gewünschten Endprodukt. Die Prozesse laufen bei niedrigen Temperaturen und Drücken ab. Gleichzeitig liefert Biomasse die notwendige Energie für das Wachstum der Organismen. Geht es um die Bildung komplexer Moleküle, kann der Ansatz gegenüber biochemischen Verfahren sogar eine erhebliche Anzahl an Prozessschritten einsparen.
In unserem Carl Roth Blog lesen Sie Spannendes über nachhaltiges Leben, verborgene chemische Zusammenhänge im Alltag und die Arbeit im wissenschaftlichen Labor.