Diese Vitamine stecken in Pilzen
19. Oktober 2020
CR: Was ist ein Science Slam?
Philipp Schrögel: Science Slam ist eine spezielle Form der Wissenschaftskommunikation, bei der es nicht nur darum geht, Wissenschaft verständlich darzustellen, sondern das ganze auch noch unterhaltsam und humorvoll zu präsentieren.
CR: Wie läuft ein Science Slam ab?
Philipp Schrögel: An einem Science Slam nehmen typischerweise Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, also Doktorandinnen und Doktoranden teilweise aber auch Masterstudierende teil. Bei jeder Veranstaltung gibt es fünf bis sechs Teilnehmende und die präsentieren innerhalb von 10 Minuten ihre eigene Forschung verständlich, unterhaltsam und humorvoll. Wie der Name Slam schon sagt ist das ganze auch ein Vortragswettbewerb, d. h. das Publikum stimmt am Ende darüber ab wer es am besten gemacht hat, also nicht nur verständlich erklärt, sondern auch locker und kreativ präsentiert und kürt dann einen Sieger oder eine Siegerin.
CR: Seit wann gibt es Science Slams in Deutschland und seit wann in Karlsruhe?
Philipp Schrögel: Tatsächlich ist Science Slam eine deutsche Erfindung des Poetry Slammers Alex Dreppec, der sich fragte, ob man so etwas nicht auch mit Wissenschaft machen könnte. So kam es zum ersten Science Slam 2006 in Darmstadt. Wissenschaft sollte in einem Wettbewerb verständlich dargestellt werden, aber auf ganz neue und kreative Art. Der Science Slam wurde schnell richtig groß, als in den folgenden ein zwei Jahren das Haus der Wissenschaft in Braunschweig mit Markus Weißkopf und Kolleginnen und Kollegen das ganze aufgegriffen haben und gedacht haben das ist ein tolles Format der Wissenschaftskommunikation. Sie haben die Slams gepusht und weiterentwickelt und seitdem gibt es Slams in ganz Deutschland.
CR: Was grenzt Science Slams von anderen wissenschaftlichen Vorträgen ab?
Philipp Schrögel: Das wichtigste ist, es ist ein Vortragswettbewerb, zweitens sind es kurze Vorträge, die auf 10 Minuten beschränkt sind und drittens sollen sie unterhaltsam präsentiert werden. Es geht nicht nur um Science-Comedy, aber auch nicht nur darum einen trockenen sehr theoretischen Vortrag zu halten sondern um die Mischung. Ein wissenschaftliches Thema, aber unterhaltsam und mit Humor präsentiert.
CR: Kann man den Schwerpunkt eher bei der Unterhaltung oder bei der Wissenschaftskommunikation setzen?
Philipp Schrögel: Vielleicht ist die Unterscheidung an dieser Stelle nicht ganz richtig. Gerade im konservativen Zeitungs-Feuilleton liest man alle zwei Jahre Artikel zum Thema „darf ernste Wissenschaft unterhaltsam präsentiert werden?“ Und dazu habe ich eine ganz klare Meinung: das ist für mich kein Gegensatz. Natürlich gibt es reines Science-Comedy und natürlich gibt es auch sehr trockene, geradezu unverständlich trockene Wissenschaftsvorträge. Einen Science Slam macht genau die Mischung aus beiden Komponenten aus. Wo genau diese Balance liegt, das entscheidet jeder und jede Vortragende für sich selbst. Manche haben eher humorvolle Vorträge, bei denen sich das Publikum vielleicht denkt es wäre ein bisschen mehr Inhalt gut gewesen, manche haben eher trockene Vorträge bei denen man denkt ein bisschen mehr Unterhaltung wäre gut gewesen. Das kann man nicht pauschal sagen. Generell geht Lernen und Unterhaltung ja viel ineinander über. Edutainment und Lernmotivation sind in aller Munde, lernen und Spaß sind heute eben keine Gegensätze mehr.
CR: Wie bist du zum Science Slam gekommen?
Philipp Schrögel: Den Science Slam gab es schon in Karlsruhe, er wurde hier von Falko Brinkmann initiiert und als er mit seiner Promotion hier fertig wurde hat er Leute gesucht, die beim Science Slam mitmachen und ihn auch perspektivisch übernehmen. Er hat das gepostet und ich habe Interesse bekundet, bin tatsächlich eingestiegen und habe den Science Slam von ihm übernommen und weiter geführt.
CR: Kann man es lernen zu „Slammen“?
Philipp Schrögel: Ja das kann man, ich gebe selbst auch Science Slam-Seminare. In erster Linie bin ich wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent am KIT Karlsruhe und war auch Lehrbeauftragter an der Universität Erlangen-Nürnberg. Da habe ich einige Semester eine Science Slam-Seminar angeboten wo ich Studierenden aber auch Doktorandinnen und Doktoranden gezeigt habe, wie man einen Science Slam-Vortrag erstellt. An ihrem konkreten wissenschaftlichen Thema wurden Grundlagen wie Storytelling, in Metaphern sprechen, bildliche Darstellung, Spannungsbögen, Auswahl der wichtigsten Kernbotschaften und andere wichtigste Elemente vermittelt. Und daher weiß ich ja, man kann Slam lernen und ja, jeder kann Slam und man kann auch zu jedem Thema einen Science Slam machen. Natürlich gibt es sehr viel dankbarere Themen als andere, bei manchen Themen liegt es einfach nahe und da muss man nicht sehr viel dazu tun, dass es ein Erfolg wird, weil das Thema an sich schon so kurios und öffentlichkeitswirksam ist.
CR: Welche Themen gibt es heute Abend?
Philipp Schrögel: Heute Abend haben wir auch eine ganz bunte Mischung von Klimaphysik über Linguistik und Sprachwissenschaft, über Geophysik bis zu Lebensmittelchemie.
CR: Gibt es etwas, das sich in der Vergangenheit am meisten begeistert hat?
Philipp Schrögel: Was ich spannend finde ist, dass es so viele unterschiedliche Slammerinnen und Slammer gibt, die einen ganz unterschiedlichen persönlichen Stil haben. Manche haben einen sehr trockenen Humor, andere sind total energetisch und aktiv auf der Bühne und hauen eine Pointe nach der anderen heraus, manche sind sehr hintergründig, tragen in Reimen vor oder machen Performances auf der Bühne, manche schaffen es, ein völlig abstruses Thema ganz konkret darzustellen. Es gibt so viele Dinge, die den Slam toll machen, dass ich gar nicht sagen kann, was man besonders herausheben sollte.
CR: Was sagt eigentlich die Wissenschaft zu Science Slams?
Philipp Schrögel: In der Abteilung Wissenschaftskommunikation des KIT Karlsruhes beschäftigen wir uns mit der Vermittlung von Wissenschaft an die Öffentlichkeit als kommunikationswissenschaftlicher Perspektive. Das aktuelle Projekt „Science in Presentations“ ganz konkret, auf welchem Weg Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihr Wissen nach außen bringen. Bei einem Abendvortrag, bei einem Science Slam, bei einem Wissenschaftsfestival oder ähnlichem. Es wird erfasst, welche Wege es gibt und auch das Publikum wird befragt. Das haben wir es auch bei den Science Slams untersucht, sowohl in Karlsruhe als auch beim Deutschland Finale 2016 wo wir Fragebögen an das Publikum verteilt haben und genau die Einschätzung abgefragt haben über die Balance zwischen Unterhaltsamkeit und Wissenschaftlichkeit. Wir haben sogar Eye Tracking-Untersuchungen gemacht um zu sehen, wo schaut das Publikum bei so einem Vortrag eigentlich hin? Schaut es auf die lustigen Bildchen, schaut es auf den Vortragenden? Wir sind noch mitten in der Auswertung und ich bin schon sehr gespannt auf die Ergebnisse.
Wir danken Philipp Schrögel für das Gespräch und freuen uns schon auf die nächsten Slams.
Wenn Sie jetzt neugierig geworden sind finden Sie hier Informationen über die Arbeit von Philipp Schrögel oder schauen Sie sich doch einmal nach den kommenden Termine in Ihrer Stadt.
Fotonachweis: Stadtmarketing Karlsruhe