Wie funktioniert CRISPR/Cas9?


Das Genome Editing erscheint vielversprechend und heilsbringend, wird aber auch kontrovers diskutiert. Mithilfe der CRISPR/Cas-Methode lassen sich gezielt Mutationen erzeugen, die auch natürlich entstehen könnten. Dadurch werden gentechnisch veränderte Organismen (GVO) geschaffen, die nicht zwangsläufig transgen sind und die mitunter ohne zusätzliches Wissen kaum als GVO identifiziert werden können. Die gezielte Änderung des Erbguts hat das Potenzial, in Zukunft schwere Erkrankungen wie Krebs und Aids zu heilen oder Pflanzen ohne lange Züchtungswege z.B. widerstandsfähiger gegen Hitze und Trockenheit zu machen. Es bestehen jedoch auch Gefahren, zum Beispiel die des Missbrauchs. Theoretisch wäre es irgendwann möglich, das Erbgut von menschlichen Embryonen gezielt zu verändern und dadurch schon früh in die Entwicklung des Nachwuchses einzugreifen – in Europa strengstens verboten und mit hohen Strafen belegt. Auch sind die Risiken, die das Genome Editing bei hoch entwickelten Organismen mit sich bringt, überhaupt noch nicht verstanden und unmöglich einzuschätzen.

Was ist CRISPR/Cas?

Seit dem Jahr 2012, als ein Forscherteam um die Biochemikerinnen Emanuelle Charpentier und Jennifer Doudna einen wegweisenden Artikel über das Genome Editing im Fachjournal Nature veröffentlichten, ist die CRISPR/Cas-Methode in aller Munde. Das CRISPR/Cas-System ist ein Teil der adaptiven Immunantwort, mit der sich Bakterien wie zum Beispiel Streptococcus pyogenes gegen den Angriff von Viren schützen. Sobald ein Virus ein Bakterium befällt, injiziert es sein Genom (DNA oder RNA) in die Bakterienzelle. Virale RNA wird dann zuerst in DNA umgeschrieben. Dann aber greift das bakterielle Abwehrsystem.

Im ersten Schritt der Abwehr wird die fremde DNA als ‚viral‘ identifiziert. Viren haben in ihrer DNA kurze Sequenzen, in der Regel 2 bis 6 Basenpaare, die in den Bakterien niemals vorkommen. Bakterielle Enzyme erkennen diese Sequenzen, welche auch PAMs (engl. protospacer adjacent motiv) genannt werden, und schneiden abseits davon ein Stück der viralen DNA aus (protospacer), um es in ihre eigene DNA einzubauen (spacer). Der Bereich, in den das virale Erbgut eingebaut wird, wird CRISPR (clustered regularly interspaced short palindromic repeats) genannt, da er aus einer Reihe von sich wiederholenden DNA-Abschnitten besteht, die abwechselnd aus bakteriellem Erbgut und Virus-DNA-spacern zusammengesetzt sind. Wird dieser CRISPR-Bereich abgelesen, entsteht aus den Virus-spacern ein funktionelles RNA-Molekül. Diese RNA bildet einen Komplex mit der Cas9-Nuklease, einem Enzym, das darauf spezialisiert ist, DNA zu schneiden.

Der CRISPR-RNA/Cas9-Komplex wird aktiv, sobald die Bakterienzelle erneut von Viren angegriffen wird und neue Virus-DNA in die Zelle gelangt. Das RNA-Molekül ‚scannt‘ diese DNA, identifiziert die virustypischen PAMs und bindet an sie. Hierdurch wird die Cas9-Nuklease in die richtige Position an der Virus-DNA gebracht, schneidet und zerstört die virale DNA und eliminiert damit das Virus. Deswegen nennt man diesen Mechanismus auch salopp „Genschere“.

Das CRISPR/Cas System ermöglicht den Bakterien also eine schnelle Erkennung und Beseitigung von eindringenden Viren, und bildet damit eine Art bakterielles Immunsystem. Da es im Genom des Bakteriums gespeichert ist, kann dieses Immunsystem auch an die nächste Generation weitergegeben werden.

Wie funktioniert die Genschere CRISPR/Cas9?

Auf der Grundlage dieses CRISPR/Cas9-Systems konnten Charpentier und Doudna eine effiziente, kosten- und zeitsparende Methode für ein zielgerichtetes, sequenzspezifisches Editieren von DNA entwickeln. Der besondere Erfolg der beiden Forscher: Die CRISPR/Cas9-Genschere funktioniert nicht nur in Bakterien, sondern nahezu gleichermaßen gut in allen Organismen – auch in sogenannten Eukaryonten, also Pflanzen, Pilzen und Tieren inklusive dem Menschen. Auch dieses gentechnologische Tool besteht im Prinzip (und etwas vereinfacht) aus den gleichen Komponenten wie das natürliche: Einem programmierbaren RNA-Molekül, hier single guide RNA (sgRNA) genannt, das punktgenau die Zielstelle im Genom findet, und der an diesen „Lotsen“ gekoppelten Nuklease und sogenannten „Genschere“ Cas9, die den DNA-Doppelstrang genau an der richtigen Stelle schneidet. An der Zielstelle muss ebenfalls eine PAM-Sequenz vorhanden sein, die die Zielsequenz darstellt und die die Nuklease-Aktivität einschaltet.

Und wie wird durch diesen Schnitt die Gensequenz verändert?

Das Geheimnis liegt im zelleigenen Reparatursystem. Ein DNA-Bruch (in diesem Fall ein Schnitt) stellt einen schwerwiegenden Schaden für die Zelle dar, der schnellstmöglich repariert werden muss. Vor allem bei komplexen mehrzelligen Lebewesen, wie Pflanzen und Tieren, greift ein Reparaturweg, bei dem die Enden des DNA-Bruchs einfach wieder miteinander verknüpft werden. Dabei können allerdings an der Bruchstelle einzelne Basen verloren gehen oder hinzugefügt werden. Durch eine solche „Punktmutation“ verschiebt sich das gesamte Leseraster des betroffenen Gens, was in der Regel dazu führt, dass von diesem Gen kein funktionsfähiges Protein hergestellt werden kann. Eine mögliche Anwendung ist z.B. das gezielte Ausschalten eines bekannten, krankmachenden Gens.

Bei einem anderen Reparaturweg, der besonders gern von einzelligen Lebewesen wie Hefen oder Algen verwendet wird, wird der DNA-Bruch zunächst vergrößert, also weitere DNA abgebaut, die fehlende Information dann von einem homologen DNA-Stück kopiert und die Kopie eingebaut. Durch diesen Mechanismus können an der Zielstelle längere DNA-Sequenzen bis hin zu vollständigen Genen eingefügt oder entfernt werden. 

CRISPR/Cas9-Anwendungen in der Pflanzenzüchtung

Mutationen sind Basis jeder Evolution – aber auch jeder Züchtung. Sie erzeugen genetische Vielfalt und damit die Chance, dass neue, verbesserte Eigenschaften entstehen. Konventionelle Züchtungsmethoden verwenden Chemikalien oder ionisierende Strahlung, um solche Mutationen im Genom von Pflanzenzellen zu erzeugen. Die Mutationen entstehen dabei vollkommen ungerichtet und zu Tausenden. Ob dabei einige wenige unter ihnen zu einer gewünschten Eigenschaft führen, entscheidet letztendlich der Zufall und es ist ein langwieriger Prozess bis zu einer neuen Sorte. Das gezielte Einfügen von Mutationen per Genome Editing verspricht, diesen Prozess deutlich schneller und damit einfacher und kostengünstiger zu machen. Die Hoffnung besteht, dass Züchtungszielewie beispielsweise Resistenz gegenüber Schaderregern, Toleranz gegenüber Hitze, Trockenheit und Salz oder auch Ertragssteigerung umsetzbar sind und sich Lösungswege für eine nachhaltige Agrarwirtschaft und faire Nahrungsmittelverteilung öffnen.

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