Wie funktioniert die Lebendzellmikroskopie?


Was passiert, wenn das Coronavirus SarsCoV-2 in Zellen unseres Körpers eindringt? Wie entwickelt sich der Embryo in der Petrischale? Oder wie reagieren Körperzellen auf einen neuen Wirkstoff? All dies sind Fragestellungen, die sich schlussendlich nur an der lebenden Zelle selbst untersuchen lassen. Fixierte Proben liefern nur eine kurze Momentaufnahme der zellulären Vorgänge zum Zeitpunkt der Fixierung. Die Beobachtung lebender Zellen oder Organismen – idealerweise über längere Zeiträume hinweg und in 3D – ermöglicht jedoch Einblicke in die Dynamik und Interaktion von Proteinen, Organellen und Zellen. Die Lebendzellmikroskopie, engl. Live Cell Imaging, insbesondere in Verbindung mit Fluoreszenz-Methoden, ist somit von enormer Bedeutung für die moderne zellbiologische, biomedizinische und pharmazeutische Forschung.

Lebende Zellen schonend untersuchen

Sich schnell weiterentwickelnde Technologien insbesondere von (genetisch exprimierbaren und spezifischen) fluoreszierenden Proteinen, Quantenpunkten und synthetischen Fluorophoren, haben die Einsatzmöglichkeiten der Lebendzellmikrokopie in den letzten Jahrzehnten stark vorangetrieben. Mit einer breiten Palette von Fluoreszenz-Markern lassen sich komplexe Experimente einrichten, bei denen sich markierte Proteine über längere Zeiträume hinweg bei hohen zeitlichen Auflösungen und in verschiedenen Dimensionen beobachten lassen.

Und trotzdem: lebende Zellen mikroskopisch zu analysieren ist noch immer eine technische Herausforderung. Schnelle Aufnahmegeschwindigkeiten, eine hohe Auflösung und eine minimale Phototoxizität sind Voraussetzung und Limitation zugleich. Außerdem müssen die Zellen auf dem Mikroskopisch über einen längeren Zeitraum gesund erhalten werden. Die Mikroskopie lebender Zellen wird daher typischerweise auf einem inversen Mikroskop durchgeführt, auf dem die mit Medium gefüllten Kultur-Gefäße und -Kammern besser montiert werden können.

Zukunftspreis 2022 geht an Lebendzellmikroskopie

Das Hauptproblem, mit dem Wissenschaftler beim Mikroskopieren lebender Zellen bisher konfrontiert waren, liegt in der Beleuchtung: Die Intensitäten der verwendeten Laserstrahlung sind um den Faktor 1.000 höher als die der Sonne. Diese intensive Beleuchtung kann lebende Zellen nachhaltig schädigen und somit die Untersuchungsergebnisse stark beeinträchtigen. Eine entscheidende Verringerung dieser Phototoxizität wird durch die so genannte Lichtblattmikroskopie erreicht: Anders als bei allen anderen Mikroskopen wird dabei die Laserstrahlung – in Form eines Lichtblattes – nur in denjenigen Bereich der Probe eingebracht, der sich im Fokus des Objektivs befindet. Eine technologische Neuentwicklung, für die ein Entwicklerteam von Carl Zeiss jüngst von unserem Bundepräsidenten Frank-Walter Steinmeier mit dem Deutschen Zukunftspreis 2022 ausgezeichnet wurde. Das Team hatte dazu den Laser auf besondere Art und Weise gebändigt und die Objektive neu angeordnet, da Zellen auf Deckgläsern in Kulturgefäßen wie Petrischalen und Multiwellplatten wachsen. Sie entwickelten eine völlig neue Mikroskop-Optik, mit der man schräg von unten durch die Probengefäße auf die darin befindliche(n) Zelle(n) schauen kann, ohne dass es zu Bildfehlern kommt. All das wurde zu einem einfach zu bedienenden, kompakten System mit hohem Automatisierungspotential entwickelt, mit dem sich lebende Zellen über Stunden oder Tage hinweg live und in 3D beobachten lassen.

Die neue Technologie ermöglicht es durch die schonende Lichtblattbeleuchtung und integrierte Inkubation, beispielsweise Embryonen während langfristiger Time-Lapse-Experimente in 3D und aus verschiedenen Blickwinkeln zu beobachten oder Entwicklungsprozesse wie die Zellmigration über längere Zeiträume hinweg zu verfolgen. Daraus ergeben sich völlig neue Möglichkeiten insbesondere für die zellbiologische, entwicklungsbiologische, biomedizinische und pharmazeutische Forschung, da sich die zellulären Prozesse, aber auch z.B. die Wirkung von Eingriffen auf zellulärer Ebene – sei es durch Medikamente oder molekulargenetische Veränderung – in vivo, in Echtzeit und über einen längeren Zeitraum hinweg beobachten und analysieren lassen.

Quellen

https://www.laborpraxis.vogel.de/bundespraesident-zeichnet-mikroskop-entwickler-von-zeiss-aus-a-1113cc112c0564a4bc523140af051b60/

https://www.laborpraxis.vogel.de/lebendzell-mikroskopie-fuer-zukunftspreis-nominiert-a-3f5d580c9c9dd6cbbd3e68da278d17a5/

https://www.zeiss.de/mikroskopie/loesungen/bioscience-tasks-applications/live-cell-imaging.html

https://www.microscope.healthcare.nikon.com/de_EU/solutions/life-sciences/live-cell-imaging

Das könnte Ihnen auch gefallen:

Das Gerüst des Lebens auf Zellebene
Das Gerüst des Lebens auf Zellebene
Elektromobilität: Eine Sache der (schnellen) Ladung
Elektromobilität: Eine Sache der (schnellen) Ladung
Future Lab – science goes digital
Future Lab – science goes digital
Augmented Reality bringt Laborarbeit auf das nächste Level
Augmented Reality bringt Laborarbeit auf das nächste Level