Wie ist die Umweltanalytik entstanden?
15. Juli 2022
Die besten Vergrößerungsgläser für die Freuden dieser Welt sind jene, aus denen man trinkt. Diese Betrachtung hat Joachim Ringelnatz jedenfalls der Nachwelt erhalten. Gerade jetzt, wo die Tage länger und die Nächte kürzer sind, sitzen wir oft mit einem Glas Alkohol noch auf dem Balkon oder im Garten.
Genau die perfekte Zeit also, dem Inhalt unserer Gläser auf den Grund zu gehen.
Denn diese ganz besondere Chemikalie vereint zwei Seiten in sich – eine fröhliche und eine gefährliche. In der heutigen Zeit findet immer mehr auch die letztere Beachtung und damit der wesentliche Inhaltsstoff alkoholischer Getränke: das Zellgift Ethylalkohol oder Ethanol. Wie aber war es früher? Wieso trinken wir überhaupt Alkohol und wieso vertragen wir ihn zumindest ein bisschen?
Wasser war zum Waschen da
Weder in der Bibel noch in den antiken griechischen Epen wird Wasser als Getränk genannt, mit Ausnahme von Quellwasser aus den Bergen für müde Wanderer und Hirten. Der Grund dafür dürfte die Qualität des Wassers gewesen sei. Denn bis ins 19. Jahrhundert hinein blieb der Genuss des oft verunreinigten Wassers ein weitgehend ungelöstes Problem. Wo Menschen zusammenlebten, war das vorhandene Wasser in der Regel durch Abfälle aller Art, Fäkalien und tote Tiere verschmutzt und nicht selten verseucht.
So verwundert es nicht, dass, neben dem angenehmen Gefühl, welches die Vorgänger unserer heutigen Biere und Weine hervorgerufen haben, diese hauptsächlich gegen den Durst getrunken wurden. Zudem waren diese leicht alkoholischen Gesöffe oft besser verträglich und gesünder als Wasser, was unsere Vorfahren schon recht früh entdeckten, denn die ersten Nachweise zum gezielten Anbau von Wein liegen um 6000 vor Christus im Gebiet des heutigen Armeniens. Bleibt aber die Frage, wieso diese Menschen das giftige Ethanol überhaupt vertragen haben.
Ein Enzym ermöglicht uns den Genuss
Alkohol wird durch Vergärung von Zucker aus zucker- und stärkehaltigen Früchten und Samen gewonnen.
Der Alkoholgehalt variiert zwar nach Art des Getränkes, aber auch geringe Spuren sind eigentlich giftig für unsere Zellen. Dass wir ihn dennoch konsumieren können, dafür sorgt das Enzym Alkohol-Dehydrogenase (ADH). Das zu den Oxidoreduktasen gehörende Enzym katalysiert in Hefen den letzten Schritt der alkoholischen Gärung, die chemische Reduktion von Acetaldehyd zu Ethanol. Aber ADH katalysiert ebenfalls die Umkehrreaktion hiervon, die Oxidation von Ethanol zu Acetaldehyd mit NAD+ als Wasserstoffakzeptor und macht damit in vielen Organismen Ethanol unschädlich. Zumindest in gewissen Mengen.
Im menschlichen Körper findet sich ADH vor allem in der Leber, aber auch im Magen. Die Menge, die im Magen direkt unschädlich gemacht wird, ist allerdings sehr gering und das meiste Ethanol wird über die Schleimhäute des Verdauungssystems, gleich angefangen im Mund, direkt ins Blut überführt, das es in den ganzen Körper transportiert bis in die Körperflüssigkeiten der Gewebe hinein. Die höchste Blutalkoholkonzentration wird nach etwa 45-75 Minuten erreicht.
Die Menge an ADH im Körper ist von Person zu Person unterschiedlich und bestimmt, wie viel Alkohol der Mensch verträgt. Etwa 2 % des Alkohols werden dabei über den Atem Ausgeschieden, die weitaus größte Menge wird durch die ADH in der Leber verstoffwechselt und hierdurch langsam abgebaut. Warum aber ist dieses Enzym überhaupt in der Evolution entstanden?
Beschwipstes Tierreich
Auf der einen Seite stellt die ADH ganz einfach für die Hefezellen eine Möglichkeit dar, in einem sehr zuckerhaltigen Milieu zu überleben. Der viele Zucker, der in hoher Konzentration ebenfalls toxisch ist, wird automatisch aufgenommen und in einer Stoffwechselseitenlinie weggeschafft. Die Umkehrreaktion ermöglicht dann der Hefezelle auf der einen Seite eine gewisse Flexibilität und die Option, das als Abfall hergestellte Ethanol einfach wieder in den Stoffwechsel produktiv einzuschleusen. Auf der anderen Seite ist die auch wichtig zum Überleben, denn Ethanol ist ab der stolzen Konzentration von 19 % auch für Hefezellen giftig.
Warum aber hat sich die ADH in der Tierwelt bewahrt und bewährt? Betrunkene Tiere sind in der Tierwelt nicht selten. Schmetterlinge aber auch andere Insekten ernähren sich teilweise gerne von alkoholhaltigem Nektar. Auch betrunkene Elche wurden nach dem Konsum von alkoholhaltigen, vergorenen Äpfeln schon gefunden. Von Affen kennt man die Begeisterung für vergorenes Obst und sogar Vögel werden manchmal von fermentierten Beeren etwas beschwipst und müssen das Fliegen für eine Weile lassen. Einige Fledermäuse hingegen vertragen einen überdurchschnittlich hohen Prozentsatz an Alkohol in ihrem Blut und können sich trotzdem sicher bewegen.
Populär wurde das Phänomen Alkohol im Tierreich durch den Film Die lustige Welt der Tiere (Animals are beautiful people) von Jamie Uys aus dem Jahr 1974.
Getrübtes Vergnügen
Trotz unseres Enzyms Alkohol-Dehydrogenase ist und bleibt die gesellschaftlich oft verharmloste Droge Alkohol aber ein Rauschmittel mit Nebenwirkungen und einem hohen Suchtpotential. Ethanol verursacht nicht nur bekannte Krankheiten wie Leberzirrhose oder Bauchspeicheldrüsenentzündungen, sondern ist für ca. 200 verschiedene Krankheiten und Störungen verantwortlich.
Wie bei jeder Droge macht die Dosis das Gift – oder eben den bedachtsamen Genuss, der ein Genuss bleibt.
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https://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/alkohol-dehydrogenase/411
https://www.spektrum.de/magazin/kleine-kulturgeschichte-des-alkohols/824773
https://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Broschueren/FS_Alkohol_gesundh-Risiken.pdf
https://www.chemie.de/lexikon/Alkoholdehydrogenase
https://naturschutz.ch/community/natur-bewegt-wenn-tiere-betrunken-sind/171589