Mikrobiologische Eigenkontrollen in Lebensmittelbetrieben
27. April 2021
Ist der Darm gesund, sind wir es auch
Fermentiertes Gemüse – das klingt ganz schön sperrig und kompliziert. Unsere Großmütter wussten noch eine ganze Menge darüber. Aber dieses Wissen ist heute verlorengegangen. Ganz langsam hat es sich wieder eingeschlichen – in die Hipster-Küchen. In Deutschland blubbert es in den Bügelgläsern wieder vor sich hin. Fermentierte Lebensmittel erleben seit einiger Zeit ein Revival und gehören zu den Food-Trends, die Sie unbedingt einmal ausprobieren sollten – unter Food-Bloggern seit einiger Zeit der neueste Schrei.
Die Fermentation –Eine wiederentdeckte Kunst
Der Food-Aktivist Sandor Katz, Autor des Buches „Wild Fermentation“, begeisterte schon vor einiger Zeit in den USA sonst so hygienebesessene Amerikaner für gute Bakterien. Und so machen viele Menschen ihr Sauerkraut wieder selbst in Gärtöpfen und Bügelgläsern, Salami und Käse reifen in den Kellern vor sich hin oder es wird Bier oder Kombucha gebraut. Sogar diverse Spitzenköche experimentieren mit fermentierten Lebensmitteln. Eine ganze Fermentationsbewegung hat sich in Gang gesetzt – „Fermentistas“ genannt.
Was ist überhaupt Fermentation?
Die
Fermentation – wie die Gärung auch „auf schlau“ bezeichnet wird – ist
eigentlich gar keine menschliche Erfindung. Das Prinzip heißt „kontrollierter
Verfall“ – wenn Nahrungsmittel im Warmen stehen gelassen werden, beginnt eine
Transformation: Bakterien, Schimmelpilze und Hefen können dafür sorgen, dass
die Nahrung verdirbt – sie können sie unter Umständen aber haltbar machen,
ihren Geschmack oder die Inhaltsstoffe veredeln.
Fermentation, Gärung oder Milchsäuregärung ist weltweit die älteste Methode, um
Lebensmittel haltbarzu machen – auf
natürliche und gesunde Weise. Schon die alten Römer, Griechen und Chinesen
nutzen sie, um ihre Lebensmittel haltbar zu machen. So verwandelten sie Milch
in Joghurt und Traubensaft in Wein. In Korea ist das milchsaure Kimchi aus
Kohl eine Nationalspeise. In Asien verzehrt man Soja meist in seiner
fermentierten Form z. B. als Miso. Die Technik ist also in allen Kulturen
verankert. Viele Lebensmittel gäbe es ohne Fermentation gar nicht, wie Bier,
Wein, Käse, Rohwurst und sogar Kakao entsteht nicht ohne Fermentation.
Mikroben bei der Arbeit
Wer sind nun die Miniköche, die unsere Nahrung so köstlich machen? An der Fermentierung von Lebensmitteln sind eine ganze Reihe von unterschiedlichen Keimen beteiligt. Die Mikroben arbeiten entweder alle gleichzeitig oder gedeihen nacheinander und schaffen sich gegenseitig gute Bedingungen – sozusagen echtes mikrobiologisches Teamwork.
Die
größte Gruppe sind die Milchsäurebakterien, die am Reifungsprozess erstaunlich
vieler unserer Leibspeisen beteiligt sind – unter anderem Joghurt, Käse oder
auch sahniger Crème fraîche, Sauerkraut,
Dauerwürsten oder asiatischen Fischsoßen.
Die zweiten Hauptdarsteller im „Fermentierungstheater“ sind die Hefen, vor
allem Verwandte unserer Bäckerhefe Saccharomyces
cerevisiae, die Alkohol und Kohlendioxid aus Fruchtsäften und anderen
zuckerhaltigen Maischen produzieren und für Bier und Wein sorgen. Zur dritten
Gruppe gehören schließlich die Spezialisten aus dem Reich der Schimmelpilze,
die Alkohol bilden oder auch Salami und Käse veredeln.
Komplexe neue Aromen
Die
vergorenen Produkte sind für uns vor allem attraktiv durch ein kräftiges und
komplexes Aroma. Diese herzhaften Geschmackseindrücke werden umami genannt – der fünfte
Geschmackssinn neben salzig, bitter, süß und sauer. Er wird durch die
Veredlungsprozedur beim fermentieren stärker, weil sich im Vergorenen mehr
Glutaminsäure und andere natürliche Geschmacksverstärker bilden.
Die Mikroben sorgen bei Käse für eine besondere Geschmacksdichte, indem sie
Zucker in Säuren und Alkohole umbauen und sonst geschmacksneutrale
Makromoleküle, wie Stärke, Proteine und fette – in ihre Kernkomponenten
zerlegen, also in Zucker, Aminosäuren und Fettsäuren. Alle diese Bausteine
haben einen Eigengeschmack und dienen als Vorstufe anderer kleiner Moleküle,
die unsere Geschmacks- und Geruchsnerven reizen. Auch die in der Nahrung
enthaltenen Enzyme tragen zur Aromen-Bildung bei.
Alles muss keimfrei sein?
Vorräte für den Winter anzulegen, war in früheren Zeiten völlig normal, um in der kalten Jahreszeit genügend Vitamine zur Verfügung zu haben. Fermentiertes Gemüse war daher ein echter Vitamin- und Vitalstoffschatz. Heute fehlen uns verschiedene probiotische Bakterien, die früher ganz selbstverständlich in Sauerkraut, Gurken oder Rohmilchprodukten vorhanden waren. Mit der Erfindung des Kühlschranks in den 1950 und 60er Jahren und der immer größer werdenden Angst vor Keimen, kam es zu einer Welle des Sterilisationswahns. Alles muss keimfrei und fast klinisch-steril sein! Gemüse, welches durch Fermentation haltbar gemacht wurde, gibt es bisher kaum zu kaufen und wenn dann nur in weiterverarbeiteter Form. Unsere bekannten heimischen Fermente Sauerkraut oder saure Gurken werden pasteurisiert (erhitzt auf 70 Grad Celsius). Damit werden die für uns so hilfreichen Bakterien wieder abgetötet.
Was ist so gesund an Fermentiertem?
Ist der Darm gesund, sind wir es auch! Da siebzig bis achtzig Prozent unserer Immunabwehr im Darm stattfinden, ist es natürlich besonders wichtig, dieses Organ gut zu behandeln und zu versorgen. Ein gesunder Darm schützt uns vor Krankheiten physischer wie psychischer Natur. Fermentierte Lebensmittel sind leichter verdaulich, da sie im eigentlichen Sinn schon vorgegart sind. Bei der Gärung gebildete Vitamine und Milchsäure wirken sich positiv auf die Darmflora aus und unterstützen das Immunsystem, da sie einen probiotischen Effekt haben. Und noch ein Tipp: Gute Darmbakterien müssen regelmäßig gefüttert werden. Nehmen Sie täglich 1 – 2 Löffel zu sich. Als Anfängerrezept probieren Sie doch einfach einmal fermentierte Gewürzmöhren aus. Link zum Rezept
Literatur zum Weiterlesen:
Über die Autorin:
Susanne Thiele ist
Mikrobiologin und Wissenschaftsautorin. Wenn sie keine Sachbücher schreibt,
leitet sie die PR-Abteilung am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in
Braunschweig, schreibt für Zeitungen und Journale oder auf ihrem Blog,
„Mikrobenzirkus“ (als Wissenschaftsblog 2018 ausgezeichnet).
www.susanne-thiele.de;
Blog: www.mikrobenzirkus.com Twitter: @mikrobenzirkus Facebook: @mikrobenzirkus Instagram: @mikrobenzirkus