Chemie ist Geschmackssache: Überall ist Bitterkeit
5. Februar 2019
Erfahren Sie mehr zur Mikrobiologischen Eigenkontrolle in der Lebensmittelindustrie, den rechtlichen Grundlagen der HACCP und zu nichtdestruktiven und destruktiven Verfahren der Probennahme zur Keimzahlbestimmung.
Lebensmittelbetriebe führen eigenverantwortlich sogenannte Eigenkontrollen durch. Dabei entnehmen sie Produktproben von Lebensmitteln, aber auch Oberflächenproben. Mikrobiologische Untersuchungen sollen zeigen, wie stark die Produktionsumgebung und die Produkte selbst mit Mikroorganismen belastet sind. Damit stellen sie sicher, dass die Produkte den Hygieneanforderungen an Lebensmittel genügen.
Dabei lässt sich eine Keimbelastung nie vollständig verhindern. Denn Mikroorganismen sind allgegenwärtig. Bereits die Rohstoffe sind mit bestimmten Bakterien oder Sporen belastet. Jedoch gibt es besonders schädliche Bakterien und Pilze, die eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen. Dazu zählen etwa Salmonellen, Listerien oder Yersinien. Mikroorganismen wie Schimmel können aber auch dazu führen, dass die Lebensmittel schneller verderben.
Den rechtlichen Rahmen für die Lebensmittelhygiene bildet derzeit die EU-Verordnung 852/2004. Sie gilt seit dem Jahr 2006 und sieht vor, dass die Betriebe das Werkzeug HACCP (hazard analysis and critical control points) anwenden. Dabei handelt es sich um ein präventives System zur Sicherung einer bakteriologisch einwandfreien Erzeugnisqualität. Jeder Lebensmittelbetrieb hat solch ein HACCP-Konzept, aus dem sich etwa Richtlinien für folgende betriebliche Aufgaben ergeben:
Betriebliche Eigenkontrollen sind dabei verpflichtend. Die mikrobiologische Untersuchung von Lebensmitteln und der Produktionsumgebung zeigt, wie wirksam die Maßnahmen in den einzelnen Bereichen sind.
Nicht nur hoch automatisierte Betriebe zur Lebensmittelherstellung sind von den Hygienerichtlinien betroffen. Sie gelten auch für kleinere Betriebe, die nach handwerklichen Methoden arbeiten. Denn die mikrobiologischen Zusammenhänge sind die gleichen. Wir betrachten sie am Beispiel einer Bäckerei.
Grundsätzlich gilt: Nahezu alle Prozesse im Zusammenhang mit der Handhabung von Lebensmitteln führen zu unerwünschten Einflüssen durch Mikroorganismen. In der Bäckerei beginnt die Prävention mit dem Einkauf hochwertiger Rohstoffe mit geringer Belastung durch Mikroorganismen. Selbst das ist eine Herausforderung, denn einige Mikroorganismen können sich noch bei sehr hohen Temperaturen vermehren. Die Sporen anderer Kleinstlebewesen können mehrere Jahrzehnte überleben.
Der Teig kommt in der Bäckerei mit vielen Oberflächen in Berührung. Vor allem Holz hat aus hygienischer Sicht keine vorteilhaften Eigenschaften, findet sich aber häufig in Bäckereien. Beliebt sind Arbeitsflächen aus Holz. Anders als hygienisch überlegener Edelstahl entzieht es dem Gebäck beim Verarbeiten kaum Wärme. Jedoch bietet Holz mit offener Oberfläche und einer porösen Struktur Mikroorganismen ein günstiges Biotop. Das gilt auch für Brotschieber sowie Ablagen für das Abkühlen und die Lagerung. Daneben sammeln sich an schlecht zu reinigenden Stellen Mehlstaub, Teigrückstände oder altes Brot. Zwar tötet die Hitze beim Backen die Mikroorganismen im Teig ab, doch danach wirkt die Nachkontamination.
Das geschieht beim Abkühlen genauso wie bei Transport, Lagerung oder Weiterverarbeitung: Denn nicht nur Arbeitsgeräte oder Hände sind belastet. Auch die Raumluft in den entsprechenden Produktionsbereichen enthält eine hohe Konzentration von Schimmelsporen. In den Lagerräumen liegt sie meist um ein Vielfaches höher als in Produktionsflächen. Die Mikroorganismen vermehren sich im Gebäck in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren:
Abklatschproben sind ein nicht destruktives Verfahren zur semiquantitativen Keimzahlbestimmung. Das Material wird bei der Probenahme also nicht zerstört. Stattdessen reicht das Abstreichen oder Abwischen der Oberfläche aus. Damit sind die Verfahren für betriebsinterne Umgebungskontrollen geeignet:
Destruktive Verfahren kommen hauptsächlich bei Produktproben wie der bakteriologischen Fleischuntersuchung zum Einsatz. Hier trennt der Verantwortliche Gewebe aus verschiedenen Teilen des Schlachttiers.
Für Umgebungskontrollen im Abklatschverfahren haben sich vor allem RODAC-Platten durchgesetzt. Das sind Replicate-Organism-Detection-and-Counting-Petrischalen, die so mit einem Nährboden befüllt sind, dass die Oberfläche des Nährmediums sich über den Rand der Petrischale etwas emporwölbt. Eine Alternative dazu stellen sogenannte DipSlides dar. Dabei handelt es sich um Eintauchprobenträger, die zweiseitig mit Nährmedien beschichtet sind. Die auch als Abklatschpaddel bekannten Probenträger eignen sich für die ökonomische Eigenkontrolle von Oberflächen und Flüssigkeiten.
Die Probenahme im Abklatschverfahren folgt diesem Ablauf:
Von den Ergebnissen können die Verantwortlichen im Betrieb ableiten, durch welche Maßnahmen sie den hygienischen Status gezielt verbessern können. Das genaue Prinzip des Abklatschverfahrens finden Sie in DIN 10113-3.
Die Proben von Produkten und der Umgebung lassen sich auf verschiedene Weisen auswerten. An erster Stelle steht die Ermittlung der Gesamtkeimzahl. Dieser Wert gibt die Anzahl der vermehrungsfähigen Mikroorganismen an. Dabei bezieht sich die Zahl auf eine definierte Menge des Probenmaterials. Die Angabe des Ergebnisses erfolgt in koloniebildenden Einheiten (KBE). Gebräuchlich ist auch die englische Bezeichnung CFU (colony forming unit). Solch eine Kolonie besteht aus Individuen von Mikroorganismen, die einen lockeren Zellverband bilden. Nach dem Erscheinungsbild der Kolonien können Bakterien, Schimmelpilze und Hefen voneinander unterschieden werden.
Diese Kennzahl gibt also vor allem einen Überblick über den allgemeinen mikrobiologischen Zustand der Probe. Quantifizierte Ergebnisse und eine exakte Differenzierung der Mikroorganismen erfordern aufwendigere Systeme zur Probenahme und eine Analyse im Labor.
Im Rahmen des Abklatschverfahrens werden die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchung auf die Oberfläche bezogen. Durch gezielte Optimierungen bei Auswahl und Anwendung eines Desinfektionsmittels konnte beispielsweise die Konzentration von Aspergillus-Schimmelpilzen auf einem Brotschieber von 15 CBU/cm2 auf 3 CBU/cm2 gesenkt werden. Bei Produktproben von Lebensmitteln erfolgt die Angabe in CBU/g. So liegt laut EU-Richtlinie der Grenzwert für das Bakterium Listeria monocytogenes in Hackfleisch zum Durcherhitzen bei 100 CBU/g.
Egal ob für die Probenahme aus verschiedenen Gebinden oder aus dem laufenden Prozess: Bei Carl Roth finden Sie praktische Hilfsmittel für die mikrobiologische Untersuchung von Lebensmitteln.