Klein aber oh, no – Mikroplastik ist überall


Wie Mikroplastik in unseren Gewässern Fische verhungern lässt – und was wir dagegen tun können

Zum Einstieg mal eine Schätzfrage.

Was glauben Sie – wie viel Gramm winziger Plastikteilchen landen wöchentlich in unserem Magen-Darm-Trakt? Ein halbes? Eins? Zwei? Weit gefehlt. Sage und schreibe fünf Gramm. Richtig gelesen. Fünf Gramm Mikroplastik nimmt ein Mensch im Schnitt wöchentlich zu sich! Das ist etwa das Gewicht einer Kreditkarte.1 Aber wie kann das sein? Es ist leider ganz leicht. Es ist im Wasser, das wir trinken, und in den Speisen, die wir essen. Es ist darüber hinaus auch in der Kosmetik, die wir verwenden. In der Luft, die wir atmen. Mikroplastik kann sogar fliegen – über 100 Kilometer weit, wie französische Umweltforscher herausgefunden haben. Und das hat fatale Folgen, wie eine Studie der University of Hawaii zeigt: Das Plastik treibt den Klimawandel auf bisher ungeahnte Weise voran. Wieso? Weil sich Kunststoffe aufgrund von UV-Strahlung zersetzen und so Methan und Ethylen bilden.2 Und die schiere Masse ist ein Problem an sich: in unseren Gewässern könnte es eines Tages mehr Plastik als Leben geben. Der WWF zum Beispiel schreibt, dass pro Jahr etwa 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastik ins Meer wandern.3 Oder, zur besseren Vorstellung, eine Lastwagenladung pro Minute. Genau jetzt. Jetzt. In diesem Moment, in dem Sie diese Zeilen lesen.

Ein sauberer Wasserspiegel trügt…

… denn wir können nur einen Bruchteil davon auf den Oberflächen der Meere sehen. Die schweren Plastikteile und auch kleine Partikel liegen auf dem Meeresboden. Und dort liegen sie lange – wie uns bekannt ist, verrottet Plastik nicht so schnell. Kein Wunder, dass der Plastikmüll im Wasser mittlerweile rund 80 Millionen Tonnen wiegt, wie der WWF schätzt.3 An manchen Stellen kann man den Müll auch sehr gut auf der Wasseroberfläche sehen: Der pazifische Müllstrudel zwischen Kalifornien und Hawaii ist inzwischen fünfmal so groß wie Deutschland. Fünf(!)mal. Eigentlich unvorstellbar.

Aber welche direkten Folgen ergeben sich daraus?

Es ist zum Beispiel verheerend für die Tierwelt. Schildkröten und Robben mit einem Plastikring von Getränkedosen um den Hals, verklebte Federn bei Meeresvögeln und verstorbene Wale mit einem Magen voller Plastik brechen uns das Herz – diese Bilder verstehen wir und vielleicht bringen sie uns auch dazu, unser Verhalten zu ändern. Aber eine andere große Gefahr kann man nicht so plakativ abbilden: Der Mikroplastikanteil in den Meeren ist es, den Planktonfresser wie z.B. Riesenhaie, Blauwale und viele Fischarten und Nesseltiere in Korallenriffen mit ihrem Futter verwechseln, aufnehmen, und der sich in ihrem Gewebe sammelt. Das führt zu Tumorbildungen, das Immunsystem wird geschädigt und die Fortpflanzung erschwert. Ganze Korallenriffe sterben ab – sie ersticken einfach am Mikroplastik und an der Last der toten Tiere, deren Körper absinken.

Bei größeren Wasserlebewesen wie Fischen kann Mikroplastik auch Schäden am Magen-Darm-Trakt und an den Kiemen anrichten und zu einem katastrophalen Effekt führen, durch den Fische am Ende verhungern. Warum? Weil sich Mikroplastik in ihrem Verdauungstrakt anreichert, als Masse im Magen-Darm liegt und zu einem falschen Sättigungsgefühl führt. Sie fressen also einfach nicht mehr und verhungern, obwohl sie eigentlich dringend Nahrung aufnehmen müssten. Werden diese Fische nun von Raubfischen gefressen, gelangt das Mikroplastik in deren Körper und wandert so in desaströser Weise die Nahrungskette nach oben. Unklar ist noch, wie weit der Mensch als oberes Ende dieser Kette betroffen ist – die aktuelle Forschung beschäftigt sich auf jeden Fall intensiv mit dieser Frage.

Was also können wir tun? Ganz konkret?

Zunächst einmal sollten wir, ganz banal, Mülleimer benutzen. Denn wenn wir unseren Müll einfach liegen lassen, schicken ihn Wind und Wasser auf die Reise – und wir können nicht kontrollieren, wo die endet. Und ja, Plastik macht unser Leben leichter, keine Frage. Aber eigentlich lässt sich der Gebrauch von Verpackungen und Einwegprodukten total einfach reduzieren. Kleines Beispiel: Vitaminnetze! Auf die Plastiktüten im Supermarkt können wir ganz leicht verzichten, indem wir wiederverwendbare Beutel oder Netze verwenden. Statt Plastikflaschen lohnen sich Glasflaschen oder wiederverwendbare Pfand-Kunststoffflaschen. Gute Alternative wenn man nicht schleppen will: Ein Wassersprudler für Zuhause – denn das Leitungswasser in Deutschland ist ein strengstens kontrolliertes Gut und kann in den allermeisten Fällen bedenkenlos getrunken werden!5 Auch verpackungsfreie Supermärkte sind im Kommen – vielleicht gibt es ja auch in Ihrer Stadt einen oder in der Nachbarstadt, wo man ohnehin immer einkaufen geht?

Bei Kosmetika können wir darauf achten, mikro- bzw. nanoplastikfreie Produkte zu verwenden. Tipp: Wenn nichts draufsteht ist meist Mikro- oder Nanoplastik drin. Plastikfreie Produkte erkannt man an einem entsprechenden Aufdruck, weil sich kein Hersteller den Werbeeffekt entgehen lässt. Viel Mikro- und Nanoplastik gelangt auch in unsere Umwelt, wenn wir waschen. Denn Kunststoffgewebe, u.a. Elasthan und Polyester, verlieren beim Waschgang zahlreiche Fasern, die über die Kläranlagen in die Gewässer gelangen. Bessere Alternative: Kleidung aus Naturfasern. Und, last but not least, auch defensives Fahren schont unsere Umwelt, da der Abrieb geringer ist und die Reifen länger halten.

Alles in allem ist das doch machbar – und es lohnt sich.

Für die Umwelt. Für die Tierwelt. Für uns.

Quellenangabe

1 https://science.orf.at/stories/3212162/ 

2 https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371%2Fjournal.pone.0200574

3 https://www.wwf.de/themen-projekte/plastik/unsere-ozeane-versinken-im-plastikmuell/plastikmuell-im-meer-die-wichtigsten-antworten#c75373

4 https://www.lfu.bayern.de/buerger/doc/uw_127_mikroplastik.pdf

5 https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/essen-trinken/trinkwasser

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