Bürgerforschung: Warum Citizen Science die Wissenschaft bereichert


Als Forscherin oder Forscher arbeiten Sie normalerweise allein oder als Mitglied einer Arbeitsgruppe. Im Labor oder direkt vor Ort. Ihre Möglichkeiten, Proben zu nehmen und Beobachtungen durchzuführen, sind begrenzt. Denn es fehlen Zeit und helfende Hände. Eine interessante Lösung: Zusammen mit forschungsinteressierten Bürgern zum Beispiel Boden- oder Wasserproben auf der ganzen Welt sammeln, die Sie allein niemals zusammentragen könnten.

Möglich ist das im Rahmen von Citizen Science-Projekten. Citizen Science beschreibt einen partizipativen Forschungsansatz. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden von Personen gewonnen, die hauptberuflich keine Wissenschaftler sind. Die kurzzeitige Erhebung von Daten ist aber nur eine von vielen Optionen, Nicht-Wissenschaftler an Ihren Forschungsprojekten zu beteiligen.

Große Datensätze von Zuhause digital analysieren, Apps über einen langen Zeitraum mit medizinischen Daten füttern, Insekten zählen oder Erfahrungswissen in Form von Forschungsfragen an Wissenschaftler weitergeben – all das sind Aktivitäten, die wissenschaftliches Wissen außerhalb der Wissenschaft erzeugen. Über die Zusammenarbeit von Forschern und Laien gelangt dieses Wissen zurück in die Forschung.

 

Digitalisierung macht Citizen Science noch einfacher

Citizen Science ist kein neues Phänomen. Der „Christmas Bird Count“ an Weihnachten im Jahr 1900 in den USA gilt als eines der ersten Bürgerforschungsprojekte. Und findet bis heute jährlich statt.

Digitale Technik und der Austausch im Netz haben Citizen Science-Projekte populär gemacht. Denn das Web 2.0 ermöglicht neue Formen der Zusammenarbeit, Interaktion und Kommunikation. Über Social Media, Blogs und Video-Plattformen lassen sich Forschungsideen diskutieren und umsetzen.

Auf der Plattform bürgerschaffenwissen.de finden Sie als Wissenschaftler mit motivierten Freizeitforschern zusammen. Stellen Sie hier Ihr Projekt in die Datenbank ein und erklären Sie Schritt für Schritt, wie ein Bürgerforscher Ihre Forschung unterstützen kann. Bürgerinnen und Bürger müssen sich anschließend nur noch registrieren und können loslegen.

So erheben Sie als Wissenschaftler große Datenmengen und kommen gleichzeitig dem Bedürfnis der Gesellschaft nach, am Prozess der Forschung beteiligt zu sein. Das stärkt das Vertrauen in die Wissenschaft!

 

Citizen Science-Projekte aus Chemie und Biologie

Der „Mückenatlas“ ist das wohl bekannteste Citizen Science-Projekt Deutschlands. Seit 2012 kartieren Wissenschaftler mit Hilfe von engagierten Mückenjägern das Vorkommen und die Verbreitung von Mücken in Deutschland. Sie möchten herausfinden, ob und wo sich durch Klimawandel und Globalisierung nicht-heimische Mückenarten in Deutschland ausbreiten. Und ob die eingeschleppten Arten Krankheitserreger übertragen können.

Bürgerforschung: Warum Citizen Science die Wissenschaft bereichert
mueckenatlas.de

 

Das Projekt „Sample das Saarland“ setzt ebenfalls auf Probensammler. Bürgerinnen und Bürger nehmen überall im Saarland Bodenproben. Chemiker untersuchen den Boden anschließend auf Bodenbakterien. Gemeinsam mit Pharmazeuten wollen sie neue Bakterienarten identifizieren und herausfinden, ob sie interessante Wirkstoffe produzieren können. Später könnten diese zu Medikamenten weiterentwickelt werden.

Beim Online-Spiel „Fold.it“ freuen sich die Wissenschaftler dagegen über digitale Unterstützung. Die Spieler falten riesige Eiweiß-Moleküle in eine energetisch optimale Form. Eine Aufgabe, die selbst Computer nicht leisten können, weil es astronomisch viele Möglichkeiten gibt. Im besten Fall designt ein Spieler ein brandneues Protein, das im Kampf gegen HIV, Krebs oder Alzheimer eine Rolle spielt.

 

Lust auf ein eigenes Bürgerforschungsprojekt? Das sind die ersten Schritte!

Ein Citizen-Science-Projekt können Sie jederzeit selbst starten. Den Aufwand sollten Sie aber nicht unterschätzen. Zur Vorbereitung Ihres Bürgerforschungsprojekts können Sie sich folgende 6 Schritte überlegen:

Schritt 1: Forschungsidee und Ziel erarbeiten

  • Wie sollen Bürgerinnen und Bürger die Forschungsarbeit unterstützen? Was soll mit dem Projekt erreicht werden? Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse soll das Projekt generieren?

Schritt 2: Zuständigkeiten klären

  • Wer soll am Projekt beteiligt sein? Wer hat welche Aufgaben? Wer kann Ressourcen zur Verfügung stellen?

Schritt 3: Forschungsdesign festlegen

  • Wie lautet die konkrete Fragestellung? Welche Methode eignet sich? Welche Tools garantieren eine standardisierte Datenerhebung durch die Bürgerforscher?

Schritt 4: an Datensicherheit denken

  • Welche Daten dürfen erhoben werden? Wer hat welches Recht an den Daten? Wie werden sie dauerhaft gespeichert?

Schritt 5: Kommunikationsstrategie mitdenken

  • Welche Kommunikationsstrategie braucht das Projekt? Wer vertritt das Projekt nach außen? Wer gestaltet die Projektwebsite?

Schritt 6: Förderungsmöglichkeiten suchen

  • Existieren spezifische Citizen-Science-Förderprogramme? Wo genau liegt der Förderbedarf? Können einzelne Personen gefördert werden?

Eine detaillierte Handreichung für Citizen Science-Beteiligte stellt die Plattform „Bürger schaffen Wissen“ zur Verfügung.

 

Citizen Science Community online und offline treffen

Die Citizen Science-Community ist groß. Unter dem Hashtag #citizenscience finden Sie auf Twitter und Instagram viele Menschen, mit denen Sie über dieses Thema in Kontakt kommen können. Oder Sie besuchen eine der nationalen oder internationalen Citizen Science Konferenzen.

 

Foto: Erik-Jan Ouwerkerk

Über die Autorin:
Susanne Geu ist Wissenschaftscoach und freie Autorin. Sie hilft Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, erfolgreich digital zu kommunizieren. Tipps und Tricks für digitale Wissenschaftskommunikation verrät sie auf Twitter und Instagram.
Blog: susannegeu.de/blog Twitter: @SusanneGeu Instagram: @susannegeu

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