Leitfaden: Reinigung, Desinfektion und Sterilisation in Lebensmittelbetrieben
4. Mai 2021
Mikrobenzirkus im Apfel
Was ist eigentlich dran, an dem englischen Sprichwort „An apple a day keeps the doctor away.“ Viel Wahres zeigt die Recherche: In Äpfeln stecken viele Vitamine, Spurenelemente, Mineral – und Ballaststoffe, die gut für unsere Gesundheit sind. Die enthaltenen Pektine unterstützen unsere Verdauung und beugen sogar schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor, wie eine Studie der Universität Oxford nahelegt: die Zahl der tödlichen Herzinfarkte und Schlaganfälle in Großbritannien ließe sich um etwa 8500 Fälle senken ließe, wenn jeder Brite über 50 täglich einen Apfel essen würde – zumindest statistisch.
Aber Äpfel können noch
viel mehr: Neben Vitaminen & Co nehmen wir mit Äpfeln eine ganze Portion
Bakterien auf. „Rohes Obst und Gemüse sind eine Quelle nützlicher
Darmmikroben“, erklärt Gabriele Berg von der Technischen Universität Graz.
Welche Bakterien sind das genau? Dazu ist laut der Biologin noch viel zu wenig
bekannt, der Pilzgehalt von Äpfeln wäre dagegen bisher gut kartiert. Um das zu
ändern, nahmen Berg und ihr Schweizer Team das Apfelmikrobiom genauer unter die
Lupe.
Sie analysierten exemplarisch die Sorte „Arlet“ – fein säuberlich aufgetrennt
nach den unterschiedlichen Komponenten wie Frucht, Stiel, Schale, Kerne und
Fruchtfleisch. Außerdem verglichen Sie Äpfel aus Bioanbau mit konventionell
angebauten Äpfeln.
Kerne sind Bakterien-Hotspots
Das Ergebnis offenbarte
ein Gewimmel von Bakterien in und auf den Äpfeln. Da hilft auch kein Waschen!
„Unseren Schätzungen zufolge enthält ein typischer 240 Gramm schwerer Apfel
durchschnittlich 114 Millionen von Bakterien“, erklärt Gabriele Berg dazu. Vor
allem die Obstkerne scheinen wahre Bakterien-Hotspots zu sein, wie die
Wissenschaftler in ihrer Studie belegten. Weniger besiedelt ist das
Fruchtfleisch und die Schale sogar nur geringfügig. Wer gern das Kerngehäuse
mitisst, nähme nach den neuesten Erkenntnissen des Teams insgesamt zehnmal mehr
Bakterien auf, als Menschen, die es verschmähen. Ohne Kerne sinkt die
Mikrobenaufnahme auf nur noch rund zehn Millionen. Doch wie nützlich sind die
Bakterien aus dem Obst überhaupt für unsere Gesundheit?
Bio bietet Artenvielfalt
Ob die Bakterien tatsächlich unsere gesunde Darmflora fördern oder ihr eher schaden, hängt offenbar ganz beträchtlich von der Anbaumethode ab. Die Untersuchungen ergaben, dass Bio-Äpfel eine weitaus vielfältigere und ausgewogenere Bakteriengemeinschaft zu bieten haben als die konventionell angebaute Variante. Die Forscher sind sogar der Meinung, dass das artenreiche Mikrobiom ökologisch angebauter Äpfel die Zusammensetzung unserer Darmflora zugunsten einzelner weniger Arten verhindern und so auch gleichzeitig vorbeugen könnte, dass sich krankmachende Bakterienspezies ausbreiten.
Mehr hilfreiche Mikroben
Die Bio-Äpfel punkten aber
nicht nur in Sachen mikrobielle Vielfalt. Sie scheinen auch tatsächlich mehr
nützliche und weniger schädliche Bakterien zu enthalten als das Obst aus
konventionellem Anbau.
Bakterien, die eher für ihr gesundheitsschädliches
Potenzial bekannt sind, kamen verstärkt bei konventionell angebauten Äpfeln
vor. „So wurden auf den meisten konventionellen Apfelproben Escherichia-Shigella – eine Gruppe von Bakterien,
die bekannte Krankheitserreger enthält – gefunden, aber in keinem der
Bio-Äpfel“, berichtet Berg. Dagegen kamen die für ihre probiotische Wirkung
bekannten Lactobazillen
(Milchsäurebakterien) in ökologisch angebauten Äpfeln vor.
Das Öko-Obst hat womöglich auch noch einen Geschmacksvorteil. Gabriele Berg und
ihr Team stellten fest, das sogenannte Methylobakterien bei Bioäpfeln deutlich
zahlreicher vorkamen. Diese Mikroben verstärken bei Erdbeeren die Biosynthese
von Aromastoffen. Diese Geschmacksverstärker-Funktion könnten sie auch bei
Äpfeln übernehmen.
Bei Pilzen
wurden zudem besondere Sorten-Vorlieben in verschiedenen Studien bestätigt. Ob
auch Bakterienarten spezielle Favoriten unter den Apfelsorten haben, soll nun
die zukünftige Forschung zeigen.
Bis dahin gilt der Tipp für Sie: Genießen Sie Ihren Apfel doch öfter mal „mit
Stumpf und Stiel“ und schneiden Sie das Kerngehäuse nicht mehr heraus!
Originalpublikation:
Frontiers in Microbiology, 2019; doi: fmicb.201901629
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmicb.2019.01629/full
Über die Autorin:
Susanne Thiele ist Mikrobiologin und Wissenschaftsautorin. Wenn sie keine Sachbücher schreibt, leitet sie die PR-Abteilung am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, schreibt für Zeitungen und Journale oder auf ihrem Blog, „Mikrobenzirkus“ (als Wissenschaftsblog 2018 ausgezeichnet).
www.susanne-thiele.de;
Blog: www.mikrobenzirkus.com Twitter: @mikrobenzirkus Facebook: @mikrobenzirkus Instagram: @mikrobenzirkus