Die 10 häufigsten Plastikabfälle in Europas Seen und Flüssen
1. Juni 2022
Aus fossilen Rohstoffen hergestelltes Plastik ist ein fest verankerter Bestandteil unseres Alltags und erfüllt unendlich viele nützliche Zwecke. Auf der anderen Seite handelt es sich um ein Material, das Umwelt, Pflanzen und Tieren inclusive dem Menschen erheblichen Schaden zufügen kann – direkt, in Form von Mikro- und Nanoplastik, aber auch im Umweg über die Klimaerwärmung durch schlechte CO2– und Energiebilanzen. Also weg damit? Keine Chance – Plastik in unserem Privat- oder auch im Wirtschaftsleben abzuschaffen ist völlig undenkbar. Die einzige Hoffnung besteht also in biologisch abbaubaren und/oder biobasierten Alternativstoffen. Ein Kandidat hierfür: Hydroxymethylfurfural, eine Natur-Chemikalie mit viel Potenzial.
Lebensmittel als Grundlage für biobasierten Kunststoff
Die Aldehyd/Furanverbindung Hydroxymethylfurfural (kurz: HMF) bildet sich bei der Erhitzung und Zersetzung von Kohlenhydraten, z.B. Zuckern, also beim Karamellisieren und der Maillard-Reaktion. Ein Vorgang, der sich beispielsweise als Bräunungsreaktion beim Braten und Frittieren beobachten lässt und viel zum ‚Brataroma‘ beiträgt. Besonders viel HMF ist in Kaffee enthalten, vor allem in Instantpulver. HMF entsteht aber auch ganz natürlich in Milch, Marmeladen, Säften und Honig. Entgegen früheren Annahmen ist es nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Stand nicht gesundheitsschädlich. Das Molekül kann aber gut als ‚Marker‘ für die Lebensmittelqualität verwendet werden, denn ein hoher HMF-Wert deutet auf eine stärkere Erwärmung oder eine längere Lagerung des betreffenden Nahrungsmittels hin.
Besonders interessant ist Hydroxymethylfurfural aber inzwischen aus einem anderen Grund: Die Chemikalie kann die Grundlage bilden für Produkte, die sonst aus fossilen Rohstoffen hergestellt werden. Als sogenannte ‚Plattformchemikalie‘ lassen sich aus ihr zahlreiche neue Erzeugnisse für unterschiedliche Verwendungszwecke schaffen. Skepsis und Sorge bei der Hydroxymethylfurfural-Verwendung sind aber ebenfalls vorhanden, denn die Kunststoffproduktion tritt in Konkurrenz zur weltweiten Ernährung. Die für die Produktion notwendigen Nahrungsmittel würden an anderer Stelle fehlen, vor allem in Weltgegenden ohne unseren Nahrungsmittelüberschuss.
Hydroxymethylfurfural
Einen möglichen Kompromiss stellt die Wurzelrübe des Chicorées dar, die wegen ihres bitteren Geschmacks kaum essbar ist und deswegen regelmäßig auf dem Kompost landet – in riesigen Mengen. Hieraus lässt sich der Mehrfachzucker Hydroxymethylfurfural gewinnen, aus dem man biobasierte Polymere (Polyethylenfuranoat oder kurz: PEF) synthetisieren kann, die als Basis für Kunststoffverpackungen, Flaschen, Folien, Fasern und vieles mehr dienen.
Für die HMF-Erzeugung werden die Rüben zerkleinert, der Zucker abgetrennt und die daraus gewonnene ölige Flüssigkeit bei 200 Grad Celsius erhitzt. Dabei wird das in hoher Konzentration enthaltene Inulin teilweise in HMF umgewandelt und dieses im Anschluss extrahiert. Allerdings ist die Produktion zur Zeit nicht für den Massenmarkt geeignet, weil große Anlagen für das Upscaling noch fehlen. Die Herstellung ist daher genauso kostspielig wie aufwendig. Der große Gewinn für die Umwelt: Das aus HMF produzierte PEF ist in vielerlei Hinsicht ein hochwertigeres Material als PET. So lässt es sich z.B. für die Flaschenherstellung dünner ziehen als die aus Erdöl gewonnene Konkurrenz und reduziert damit das Gewicht – also auch die Transportkosten – des Endproduktes. Diese Materialreduktion, die Einsparung fossiler Rohstoffe und die gute Recycelbarkeit sind die Basis für die besseren Energie- und CO2-Bilanzen. Etwas gewöhnungsbedürftig ist vielleicht die leicht gelbliche Farbe des PEF, das nicht auf dieselbe Art transparent erscheint wie das fossile Plastik-Pendant PET. Darüber hinaus ist PEF leider nicht kompostierbar und erzeugt damit genauso Micro- und Nanoplastik wie erdölbasierte Kunststoffe. Die gute Nachricht: Forscher entwickeln aktuell ein nieder-energetisches Verfahren zur Umwandlung von HMF in DFF (Diformylfuran), das wiederum ein biologisch abbaubarer Ersatzstoff für PEF, PET und PP ist. In jedem Fall stellt PEF einen spannenden Schritt dar in Richtung Biokunststoff, der zeigt, dass eine Realität abseits der althergebrachten und alternativlos erscheinenden Plastikwelt möglich ist.